Ohne Zustimmung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten dürfen gesetzliche Krankenkassen keine Daten von Jugendlichen für Werbung nutzen. Eine Kasse hatte ein Gewinnspiel auf einer Veranstaltung veranstaltet, um Neumitglieder zu locken. Dieses Vorgehen hat das Oberlandesgericht in Hamm nach einer Klage untersagt.
11.11.2012
Eine gängige Praxis ist, mit sogenannten Gewinnspielen potentielle Neukunden zu locken. Wird eine Karte mit Aussicht auf Gewinn ausgefüllt, werden die persönlichen Daten an den Betreiber übermittelt. Ebenso tat dies eine Krankenkasse auf eine Jobmesse. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat eine solchen Datenerhebung als rechtswidrig beurteilt. Demnach dürfen Krankenkassen „nicht ohne Zustimmung eines Erziehungsberechtigten persönliche Daten von Minderjährigen ab 15 Lebensjahren zu Werbezwecken nutzen“.
Ein solches Sammeln sei nicht gesetzlich vereinbar, entschieden die Oberlandesrichter in dem am Freitag veröffentlichten Urteil. Laut Gericht kann nicht davon ausgegangen werden, dass junge Menschen ab 15 Jahre im Grundsatz die notwendig Reife besitzen, um abzuschätzen, was es bedeutet eine Einwilligungserklärung zur Speicherung der Daten, Datenverwendung und Datenerhebung für Werbezwecke zu unterschreiben (Az. I-4 U 85/12).
Krankenkasse sammelte Daten auf Jobmesse
Im konkreten Fall hatte eine Krankenkasse auf einer Jobmesse ein speziell auf Minderjährige ausgerichtetes Gewinnspiel veranstaltet. Die Messe stellt in der Hauptsache Ausbildungs-, Berufs- und Studienmöglichkeiten vor und richtet sich damit vordergründig an Schüler. Auf den auszufüllenden Karten wurde der Name, die Anschrift und das Geburtsdatum abgefragt. Zudem mussten die Teilnehmer eine Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung unterschreiben. Darin hieß es: „Ich bin damit einverstanden, dass die Krankenkasse Daten speichert und nutzt, um mich telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder per SMS über die Vorteile einer B-Mitgliedschaft und neue Angebote der B zu informieren und zu beraten.“ Waren die Kinder unter 15 Jahre alt, mussten auch die Eltern als Erziehungsberechtigte unterschreiben. Minderjährige Jugendliche über dem 15. Lebensjahr konnten die Karte selbst ausfüllen. Gegen diese Werbemaßnahme hatte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Kasse verklagt.
Fehlende nötige Reife zum Erfassen der Tragweite
Die Krankenkasse vertrat die Rechtsauffassung, dass eine Datenerhebung für Minderjährigen „nicht generell unzulässig sei“. Es sei zudem zu beachten, „dass je nach Alter, Minderjährige unterschiedliche Entwicklungsstufen aufwiesen, ältere Minderjährige die Bedeutung der Erklärung durchaus einschätzen könnten. Bei dieser Wertung sei zu beachten, dass Minderjährige ab 15 Jahren gemäß § 175 Abs. 1 S. 3 SGB V auch bereits ihre Krankenkasse selbst wählen könnten.“
Das OLG widersprach dieser Ansicht. Es kann eben nicht davon ausgegangen werden, dass Minderjährige ab 15 Jahre „grundsätzlich die nötige Reife haben, um die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen.“ Kinder und Jugendliche treffen eine kurzfristige Entscheidung über die Weitergabe ihrer Daten. Ein Gewinnspiel und die Wahl einer Kasse sei nicht zu vergleichen, so das OLG. (sb)
Lesen Sie auch:
Fakten zur neuen elektronischen Gesundheitskarte
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.