Wie selbsterfüllende Prophezeiungen das Verhalten anderer Menschen beeinflussen kann
04.01.2013
In der Psychologie ist das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiungen schon lange bekannt. Es besagt, dass sich Annahmen über andere Menschen meist bewahrheiten. Das liegt weniger daran, dass wir über hellseherische Fähigkeiten verfügen sondern vielmehr weil wir unser Verhalten an Erwartungen ausrichten. Ein US-amerikanischer Arzt konnte diesen Effekt in seiner Studie belegen. Männer, die glaubten, ein geringes Herzinfarkt-Risiko zu haben, erlitten demnach dreimal seltener einen solchen als andere – unabhängig davon ob sie tatsächlich ein geringeres oder ein erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankungen hatten.
Wie selbsterfüllende Prophezeiungen die Intelligenz steigern können
Das psychologische Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiungen gilt bereits seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts als bewiesen. Demnach beeinflussen Annahmen über andere Menschen deren Verhalten. Denn das Verhalten orientiert sich maßgeblich an Erwartungen. Die US-amerikanischen Psychologen Robert Rosenthal und Leonore Jacobson führten dazu 1965 einen interessanten Versuch durch, in dem sie die Kausalität von Erwartungen und Verhalten nachwiesen. Die Psychologen untersuchten dafür die Lehrer-Schüler-Interaktionen an zwei Grundschulen. Die Oak Schule befand sich in einem Arbeiterviertel. Etwa ein Sechstel der Schüler war mexikanischer Abstammung. Das Schulsystem der öffentlichen Oak Schule basierte auf einer Dreiteilung, nach der die Schüler in einem schnell, mittel oder langsam lernenden Zug unterrichtet wurden.
Die Crest Schule wurde zum größten Teil von weißen Schülern der Mittel- und Oberschicht besucht. Die Schüler hatten einen durchschnittlichen IQ von 109, während in der Oak Schule ein IQ von durchschnittlich 98 gemessen wurde. Im schnell lernenden Zug der Oak Schule hatten die Kinder ebenfalls einen IQ von 109.
An beiden Schulen wurde den Lehrern vorgetäuscht, dass sie an einem wissenschaftlichen Test mit ihre Schülern teilnehmen, um die Kinder zu identifizieren, die über ein großes intellektuelles Entwicklungspotential verfügen. Anschließend wurden den Lehrern mitgeteilt, dass 20 Prozent der Schüler kurz vor einem intellektuellen Entwicklungsschub stünden. In Wirklichkeit erfolgte die Auswahl die Kinder jedoch willkürlich, so dass die besondere Begabung nur im Bewusstsein der Lehrer existierte.
Nach einem Jahr wurden die Kinder erneut untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Kinder, die den Lehrern zuvor als besonders intelligent präsentiert wurden, ihren IQ viel stärker erhöht hatten als die gewöhnlichen Kinder. Die größten IQ-Steigerungen wurden bei den Schülern des mittleren Zuges der Oak Schule gemessen. 45 Prozent der „begabten“ Kinder konnten ihren IQ um 20 oder mehr Punkte steigern. Dieser Effekt war vor allem bei Schülern im ersten und zweiten Schuljahr signifikant. 20 Prozent der „Begabten“ steigerten ihren IQ sogar um 30 oder mehr Punkte. Die Lehrer beurteilten die Charakter der schlauen Schüler positiver als die der anderen Kinder, hatten mehr Geduld mit ihnen und schenkten ihnen mehr Aufmerksamkeit. Die Leistung der willkürlich ausgewählten Schüler verbesserte sich der Studie zufolge maßgeblich aufgrund der Erwartungen der Lehrer.
Selbsterfüllende Prophezeiungen beeinflussen Herzinfarkt-Risiko
Der Zusammenhang zwischen Erwartungen und Verhalten wird auch von anderen Studien belegt. Annahmen oder Erwartungen an andere Menschen oder sich selbst bewahrheiten sich im Laufe der Zeit, weil sich das Verhalten unterbewusst an ihnen orientiert. Der Effekt kann sich sowohl positiv, wie beispielsweise das Experiment von Rosenthal und Jacobson zeigt, als auch negativ auswirken.
Robert Gramling von der Universität Rochester im US-Bundesstaat New York hatte in seiner Studie bewiesen, dass die Annahme für ein geringes Risikos für Herzinfarkte bei Männern tatsächlich dazu führte, dass diese dreimal seltener einen Herzinfarkt erlitten. Dabei spielte das aus medizinischer Sicht tatsächlich vorhandene Risiko scheinbar eine untergeordnete Rolle.
Hätten Ärzte den Studienteilnehmern ein besonders hohes Risiko für Herzinfarkte vorhergesagt, hätte das Studienergebnis auch gegenteilig ausfallen können, denn selbsterfüllende Prophezeiungen funktionieren auch in die andere, negative Richtung. Aus diesem Grund werden Studien in der Regel „doppelblind“ durchgeführt, so dass weder die Wissenschaftler noch die Probanden wissen, wer die wirkliche Behandlung und wer ein Placebo erhält. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass Studienergebnisse nicht durch die Erwartungen der Beteiligten beeinflusst werden. (sb)
Bild: Gerd Altmann/ Hintergrund: Hans Braxmeier / pixelio.de
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