Niederländischer Skandalarzt vom Heilbronner Klinikum entlassen
08.01.2013
Der wegen Körperverletzung angeklagte Skandalarzt aus den Niederlanden war nicht nur in Heilbronn tätig sondern auch am Klinikum Worms. Die Klinikleitung schließt gesundheitliche Schäden an den Patienten jedoch aus, da der Neurologe nur unter Aufsicht durch andere Ärzte tätig gewesen sei und als Assistenzarzt keine selbstständigen Entscheidungen getroffen habe, berichtet die Nachrichtenagentur „dpa“. Derweil lassen die SLK Kliniken in Heilbronn alle Behandlungen, an denen der niederländische Arzt beteiligt beteiligt war, von externen Gutachtern überprüfen.
In den Niederlanden werden dem 67-jährigen Mediziner 21 Fälle schwerer Körperverletzung vorgeworfen. Durch Fehldiagnosen seien während der Tätigkeit des Arztes im Krankenhaus in Enschede von 1998 bis 2003 zahlreiche Patienten massiv geschädigt worden, so die Anklage gegen den Mediziner. In Deutschland waren die Anschuldigungen jedoch nicht bekannt und so fand der Neurologe zunächst im Klinikum Worms Beschäftigung bevor er anschließend an die SLK-Kliniken nach Heilbronn wechselte. Nachdem die Anschuldigungen aus den Niederlanden der Klinikleitung in Heilbronn bekannt wurden, hatte sich das Krankenhaus umgehend von dem Arzt getrennt. Gesundheitliche Schäden der Patienten hierzulande wurden sowohl von dem Geschäftsführer der Klinik in Worms, Friedrich Haas, als auch von dem Geschäftsführer der SLK-Kliniken Heilbronn, Thomas Jendges, zunächst ausgeschlossen. Allerdings bleibt die Frage offen, wie es überhaupt zu der Einstellung des Skandalarztes kommen konnte.
Zahlreiche Patienten durch Fehldiagnosen und unnötige Operationen geschädigt
Die Liste der Anschuldigungen gegen den Mediziner ist lang und umfasst bisweilen schier unglaubliches Fehlverhalten. Nicht nur das der Skandalarzt wegen Medikamentenabhängigkeit und dem Verdacht der Untreue aus dem Klinikum Enschede im Jahr 2003 entlassen wurde, er hatte offenbar auch durch zahlreiche Fehldiagnosen die Gesundheit der Patienten massiv gefährdet. Diese nahmen auf Basis der falschen Diagnose von Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson zum Teil über Jahre Medikamente ein und wurden sogar unnötigerweise operiert, so die Anklage gegen den Mediziner. In mehr als zehn Fällen soll der falsche Befund zu einer unnötig Gehirnoperation geführt haben, wobei einem der betroffenen Patienten 12,5 Zentimeter Hirngewebe entfernt wurden, erläuterte der Anwalt der Kläger in den Niederlanden. Die Staatsanwaltschaft im Heimatland des Skandalarztes spricht vom größten medizinischen Strafprozess in der Geschichte der Niederlande.
Skandalarzt konnte bei Einstellung alle erforderlichen Papiere vorlegen
Der Skandalarzt hatte sich laut Medienberichten in den Niederlanden auf Druck des Klinikums Enschede bereits im Jahr 2006 freiwillig aus dem Arztregister streichen lassen. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich in Deutschland eine Beschäftigung zu suchen. Auch konnte der Mediziner laut Angaben des Geschäftsführers der SLK-Kliniken Heilbronn „alle erforderlichen Qualifikationsnachweise – auch eine deutsche Approbation – bei der Einstellung“ vorlegen. Die „Approbation des umstrittenen niederländischen Mediziners war wirksam“ und eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung aus den Niederlanden lag bei der ausstellende Behörde vor“, berichten die SLK-Kliniken in einer aktuellen Pressemitteilung. Derzeit seien die Vorgänge in der Personalverwaltung zur Prüfung der Einstellung des Skandalarztes allerdings noch nicht abgeschlossen.
Überprüfung der Behandlungen des Skandalarztes durch externe Gutachter
Zwar kamen bereits im Jahr 2011 in Heilbronn Gerüchte auf, dass der Arzt über keine gültige Approbation verfüge, doch konnte der Mediziner eine gültige deutsche Approbation aus dem Jahr 2006 sowie eine gültige Facharzturkunde vorlegen,weshalb „keine Einwände gegen eine Weiterbeschäftigung“ gesehen wurden, so die Mitteilung der SLK-Kliniken. „Um sicher zu gehen, dass Heilbronner Patienten durch den Arzt kein Schaden entstanden ist“, lassen die SLK-Kliniken nach eigenen Angaben derzeit „entsprechende Akten durch eine medizinische Kommission aus externen Gutachtern überprüfen.“ Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg habe sich bereit erklärt, diese Überprüfung zu übernehmen. Sämtliche Patienten, die Befürchtungen haben, an den SLK-Kliniken von dem Skandalarzt nicht sachgerecht behandelt worden zu sein, werden gebeten, sich mit der Klinik für Neurologie in Verbindung zu setzen. Bisher hätten sich bei den SLK-Kliniken diesbezüglich zwei Patienten gemeldet.
Schwarze Liste für Mediziner gefordert
Der Werdegang des niederländischen Skandalarztes an deutschen Kliniken gibt einiges zu Denken. Der Neurologe ist laut Angaben der SLK-Kliniken über eine Ärztevermittlungsagentur an das Klinikum in Heilbronn gelangt und hatte zuvor bei anderen deutschen Kliniken seinen Tätigkeit ausgeübt. Hier ist das Klinikum Worms zu nennen. Beiden Kliniken war von der laufende Strafverfolgung in den Niederlanden und einer Rückgabe der dortigen Ärzteapprobation nichts bekannt, was auf erhebliche Defizite in der internationalen Kommunikation hinweist. Im Sinne der Patientengesundheit muss nach übereinstimmender Einschätzung der Experten künftig sicher ausgeschlossen werden, dass Mediziner aus anderen (EU-)Staaten, gegen die sich derart massive Vorwürfe richten, hierzulande tätig werden können. Aus der niederländischen Politik wurde hier bereits die Forderung nach einer internationalen schwarzen Liste laut, um den Informationsfluss zu verbessern und vergleichbare Vorgänge in Zukunft zu vermeiden. (fp)
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