Viagra ließ während einer Studie die Fettdepots von Mäusen schmelzen
Offenbar helfen Wirkstoffe im Potenzmittel „Viagra“ dabei, überschüssige Fette im Körper abzubauen. Das zumindest zeigte ein Studienversuch mit Mäusen, den Wissenschaftler der Universität Bonn unlängst durchführten. „Die fettleibigen Mäuse verloren an Gewicht nachdem sie einen längeren Zeitraum das Mittel Sildenafil verabreicht bekamen“, resümierten die Forscher. Ob die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind, steht bislang nicht fest. Auch Selbstversuche mit Viagra sollten tunlichst unterlassen werden. Schließlich ist das Mittel nicht ohne Nebenwirkungen und kann im Einzelfall sogar zum Tode führen.
Wirkstoff ließ Fettdepots schmelzen
Das Medikament Sildenafil, besser bekannt als Viagra, zeigte in einer Forschungsarbeit unerwartete Wirkungsweisen. In Laborversuchen mit Mäusen wandelte der Wirkstoff normale weiße Fettzellen um und ließ so überschüssige Fettdepots der Tiere schmelzen. Ferner scheint das Mittel typische Entzündungsreaktionen durch das Übergewicht schwinden, wie Bonner Wissenschaftler im “The Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology” (FASEB) berichten. Schon jetzt frohlockt die Pharmaindustrie einen möglicherweise vorhandenen Ansatz im Kampf gegen massives Übergewicht (Adipositas). Doch die Wissenschaftler warnen: „Die Wirkung ist beim Menschen nicht getestet. Niemand sollte einfach die blauen Pillen einnehmen, um beispielsweise den Winterspeck loszuwerden“.
Eigentlich werden mit dem Mittel Sildenafil Erektionsstörungen beim Mann symptomatisch therapiert. Dabei greift der enthaltene Wirkstoff in einer Signalkette des Botenstoffs „cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP)“ ein. So wird das Einströmen von Blut in den Schwellkörper des Gliedes und somit auch eine Erektion ermöglicht. Das Mittel sollte eigentlich konzeptionell als Kreislaufmedikament eingesetzt werden bis Forscher herausfanden, dass Viagra auch Erektionsprobleme zeitweise beheben kann.
Mäusen verloren Gewicht
Nun haben Wissenschaftler erneut eine unerwartete Wirkungsweise entdeckt. Schon vor einiger Zeit wurden Mediziner und Forscher auf den jetzt untersuchten Effekt aufmerksam. So zeigten auch bereits vorangegangen Studien, dass Mäuse signifikant an Gewicht verlieren, wenn sie einen längeren Zeitraum das Mittel Sildenafil ins Futter beigemengt bekamen. Bisher war aber immer unbekannt, warum das so ist.
„Wir erforschen seit Längerem die Wirkung des cGMP auf Fettzellen“, sagt Prof. Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie. „Deshalb war das Sildenafil für uns ein potenziell interessanter Kandidat.“ Sein Forscherteam untersuchte zusammen mit anderen Wissenschaftlern die Wirkung von Viagra auf die Fettzellen von Mäusen. Während des Versuchsaufbaus bekamen die Tiere insgesamt sieben Tage Sildenafil verabreicht.
Hoffnungsträger gegen Adipositas und Folgeerkrankungen
„Die Effekte waren erstaunlich“ berichtet die Studienautorin Ana Kilic. Der Wirkstoff wandelte bei den Tieren die weißen Fettzellen in braune Fettzellen um. Der Vorteil daran ist, dass braune Fettzellen die Nahrungsenergie verbrennen und sie in Wärme umwandeln, sagt der Forschungsleiter Pfeifer. Weil Sildenafil in dem Versuch die Fettpolster einfach minimierte, sei der Wirkstoff ein Hoffnungsträger, um die Therapien gegen Fettsucht (Adipositas) künftig zu unterstützen. Schließlich ist Adipositas ein großer Risikofaktor bei der Entstehung von Diabetes, Krebs, Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Die Wissenschaftler machten noch eine weitere Beobachtung: Weiße Fettzellen werden größer und kleiner. Nimmt der Körper weiterhin viele Kalorieren zu, vergrößern sich auch die Zellen und schütten zusätzlich Botenstoffe in den Organismus. Diese Stoffe lösen Entzündungen aus, die als Gesundheitsgefährdend gelten. „Die Reaktionen beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Infarkt und Schlaganfall oder Krebs und Diabetes entwickeln“. Sildenafil konnte bei den Nagern offensichtlich dafür sorgen, dass „die Fettzellen nicht so leicht auf die schiefe Bahn gelangen“, berichtet Pfeifer. Während der Studie schien bei den Mäusen die Entwickelung der weißen Zellen insgesamt „gesünder zu verlaufen“.
Viagra in keinesfalls auf eigene Faust einnehmen
Die Forschung soll nun weitergehen. Die Bonner Wissenschaftler erhoffen sich interessante Resultate. „Sildenafil kann nicht nur Erektionsprobleme mindern, sondern auch die Risiken von Übergewicht positiv beeinflussen“, sagt Pfeifer. Vielleicht wurde hier ein Hebel gefunden, um die weißen in braune Fettzellen umzuwandeln. Der Hebel könnte künftig adipösen Patienten beim Abnehmen helfen. Zudem könnten Folgeerkrankungen, die durch massives Übergewicht ausgelöst werden, durch den Wirkstoff verhindert werden. „Das müssen jedoch noch weitere Forschungen zeigen“, betonen die Wissenschaftler.
In keinem Falle sollte Viagra nun auf eigene Faust dauerhaft eingenommen werden. „Wir befinden uns im Stadium der Grundlagenforschung – die Untersuchungen erfolgten bislang ausschließlich an Mäusen“, betont Pfeifer. Bis ein adäquates Arzneimittel konzipiert wurde, dürften noch einige Jahre vergehen. (sb)
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