Prostatakrebs nach wie vor häufigste Tumorerkrankung bei Männern
12.02.2013
Prostatakrebs ist in Deutschland nach wie vor die häufigste Tumorerkrankung bei Männern, mehr als 60.000 Neuerkrankungen werden Jahr für Jahr verzeichnet, wobei das Risiko für ältere Männer besonders hoch ist: “Prostatakrebs gilt typischerweise als Erkrankung älterer Männer. Dennoch sind etwa zwei Prozent der Betroffenen bei der Diagnose noch keine 50 Jahre alt“, so eine aktuelle Pressemitteilung des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE).
Forscher finden Erklärung für frühe Ansteckung
Doch warum erkranken immer wieder auch relativ junge Männer an Prostatakrebs? Eine Erklärung hierfür haben nun Forscher des UKE zusammen mit Kollegen des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg und des Max-Planck-Instituts in Berlin gefunden und in der Fachzeitschrift "Cancer Cell" veröffentlicht: Demnach seien nur wenige genetische Veränderungen für die Entstehung und das Wachstum eines Tumors verantwortlich – um so länger ein Tumor jedoch wuchert, desto mehr Mutationen werden durch genetische Instabilität verursacht.
So sei die Zahl der Veränderungen zu Beginn der Erkrankung noch relativ gering: Denn während bei fortgeschrittenen Tumoren zum Teil tausende Mutationen bestehen, würden sich im frühen Stadium des Prostatakrebs durchschnittlich etwa 40 genetische Veränderungen zeigen, wovon eine für die Entstehung des Krebses verantwortlich sei.
Tumorbildung durch Genfusion
Weitere interessante Erkenntnisse brachte den Forschern die Untersuchung von strukturellen Veränderungen der DNA von Prostatakrebs-Patienten: So sei die DNA zwar vollständig, aber komplett durcheinandergewürfelt, was Brüche und Ablesefehler zur Folge hätte: „Es sind nur winzige Brüche im Erbgut, welche die Zellen anfällig für Krebs machen", erläutert Prof. Dr. Thorsten Schlomm, leitender Arzt der Martini-Klinik, dem Prostatakrebszentrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Hauptautor der Studie. Dies beträfe beispielsweise das Chromosom 21: Denn hier befindet sich zum einen das Gen „TMPRSS2“, welches durch das männliche Sexualhormon Testosteron aktiviert wird, zum anderen dicht daneben auch das Gen „ERG“, welches im Regelfall nur bei Embryonen aktiv ist und die Entwicklung der Organe reguliert.
Würde nun der Abstand zwischen den beiden Genen wegbrechen und eine Verschmelzung des testosteronabhängigen Gens mit dem embryonalen Gen stattfinden, könnte dadurch ein Tumor entstehen – denn im Falle einer Genfusion würde immer dann, wenn Testosteron auf die Zelle einwirkt, auch das embryonale Gen abgelesen werden, so Dr. Joachim Weischenfeldt vom EMBL und Mitautor der veröffentlichten Studie. Zu solchen Gen-Verschmelzungen könne es immer dann kommen, wenn die Zelle versucht, Erbgut-Defekte zu reparieren, so Dr. Weischenfeldt weiter.
Vergleich jüngerer und älterer Patienten bringt neue Erkenntnisse
Ganz neu sind diese Ergebnisse jedoch nicht – schon seit 2005 ist bekannt, dass eben solche Gen-Verschmelzungen im Zusammenhang mit der Entstehung von Prostatakrebs stehen. Doch die Forschung von Prof. Thorsten Schlomm und seinen Kollegen brachte auch neue Erkenntnisse zu Tage: „Wir haben entdeckt, wie Genfusionen von Genen, die von männlichen Geschlechtshormonen, den Androgenen, abhängig sind, ganz speziell bei jungen Männern die Krebsentstehung fördern, und wir haben auch neue Genfusionen entdeckt. Sie führen letztendlich dazu, dass die Zelle einen Schaden hat und anfälliger wird für weitere Mutationen, die dann zum Tumor führen", so der Mediziner. Denn beim Vergleich des Erbguts von Tumoren bei besonders jungen Patienten mit dem von älteren Patienten hatte bei 90% der jüngeren Männer hormonabhängige Genfusionen gezeigt, bei den älteren jedoch nur in 30 Prozent der Fälle: "Die Tumoren bei älteren Patienten entstehen im Gegensatz zu den Krebserkrankungen bei den Jüngeren durch eine Anhäufung von genetischen Fehlern im Laufe der Zeit", erklärt Dr. Weischenfeld.
Diese Unterschiede konnten anschließend in einer Untersuchung an mehr als 10.000 in der Martini-Klinik operierten Patienten bestätigt werden. "Damit haben wir erstmals bewiesen, dass es bei einem häufigen Krebs altersabhängige Entstehungsmechanismen gibt", so Dr. Weischenfeldt weiter.
Studie weckt Hoffnung auf Entwicklung von Präventionsmaßnahmen
Die Ergebnisse der Studie weckt unter den Experten große Hoffnung für die Zukunft: „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse die Entwicklung neuer Strategien zur Diagnose und individualisierten Therapie fördern“, so Prof. Schlomm. So sei es beispielsweise denkbar, Patienten mit einem hohen Risiko für diesen Krebs mit Medikamenten zu behandeln, die die Wirkung des Testosterons in den Zellen drosselt.
"Weiterhin gehen wir davon aus, dass durch das neue Verständnis der Entstehungsursachen von Prostatakrebs jetzt erstmals auch die Chance besteht, wirksame präventive Maßnahmen zu entwickeln, damit sich die Krankheit erst gar nicht entwickeln kann“, so der Mediziner – denn so ist es zwar heute schon möglich, eine Genveränderungen im Blut nachzuweisen, ein standardisierter Test würde jedoch noch fehlen. Dieser sei zwar in Vorbereitung, könnte aber frühestens in drei bis fünf Jahren zur Verfügung stehen.
Prostatakrebs in der Familie erhöht Risiko
Das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, ist besonders hoch für Männer, bei denen die Krankheit vererbt wird – also bereits Familienmitglieder von zwei vorausgegangenen Generationen erkrankt sind oder in einer Linie beispielsweise zwei weitere Brüder: Hier sei das Risiko um ein Vielfaches erhöht, so Schlomm: "Männer aus diesen Familien haben ein 17-mal höheres Risiko für Prostatakrebs als die Normalbevölkerung. Männer, bei denen Vater, Großvater oder ein Bruder erkrankt sind, haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko.“
Studie Teil des größten Krebsforschungsprojekts der Welt
Die aktuelle Studie ist wesentlicher Teil der Forschungsarbeiten im Rahmen des weltweit größten Krebsforschungsprojekts, des Internationalen Krebsgenom-Konsortiums (ICGC), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 7,5 Millionen Euro gefördert werden.
Ziel des Konsortiums ist es, die Gesamtheit der Gene der 50 wichtigsten Krebserkrankungen zu entschlüsseln und dadurch einen Katalog mit allen krebsspezifischen genetischen Veränderungen erstellen zu können. In dem Anfang 2011 gestarteten Forschungsprojekt gehen internationale Ärzte und Wissenschaftler den genetischen Grundlagen von frühem Prostatakrebs auf den Grund – das deutsche Team um Prof. Thorsten Schlomm hatte sich dabei gezielt Prostatakarzinome von sehr jungen Patienten untersucht. (sb)
Lesen Sie auch:
Startschuss für Großstudie zu Prostatakrebs
Softdrinks erhöhen das Prostatakrebs-Risiko
Haarausfall als Indikator des Prostatakrebs-Risiko
Unfruchtbarkeit Hinweis auf späteren Prostatakrebs
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.