Ein selbsternannter Heiler in der Schweiz infizierte absichtlich mindestens 13 Menschen mit dem Hi-Virus
24.03.2013
Ein Musiklehrer, der sich selbst als Heiler ansieht, hat in der Schweiz mindestens 16 seiner vermeintlichen Patienten mit dem Hi-Virus infiziert. Ein Gericht hat den Angeklagten nun zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt. Der Schweizer selbst sieht in seinen Handlungen kein schuldhaftes Vergehen und zeigte während der Verhandlung keine Reue. Vielmehr hätten sich die Infizierten durch Eigenhandlungen selbst angesteckt.
In der Schweiz steckte offenbar ein 54jähriger Musiklehrer, der sich selbst als Heiler definiert, mindestens 16 Menschen mit dem Aids-Erreger HIV und einige mit dem Hepatitis-C-Virus an. Ein schweizerischer Gerichtshof verurteilte den Angeklagten aufgrund der Beweislage zu fast 13 Jahren Haft. Der aus Bern stammende Mann nahm das noch nicht rechtskräftige Urteil laut Zeitungsmeldungen „ohne jegliche Reue und gefasst auf“. Der „Heiler“ streitet jegliche Schuld ab und gibt stattdessen den ehemalig Behandelten die Schuld.
Motiv für die Tat bleibt weiterhin unklar
Ungeklärt bleibt, warum der Mann seinen Patienten während der „heilenden Sitzungen“ nach bisherigen Erkenntnissen das Virus injizierte. Vor Gericht blieb der Angeklagte diese Frage schuldig.
Eines der Opfer ist ein Geschäftsmann mit einer schweizerisch-italienischen Staatsbürgerschaft. Weil dieser an starker Migräne, Kopfschmerzen und einer leichten Form von Epilepsie litt, ging er auf Empfehlung einer Freundin zu dem „Heiler“. Vor Ort erklärte der Musiklehrer, die Beschwerden könnten mit „einer speziellen Akupunktur“ gelindert werden. Im Wohnzimmer des Verurteilten sollte sich das Opfer auf den Bauch legen und mit den Augen ein im Raum befindlichen Stein fixieren. Als der Patient dies tat, verspürte er „einen leichten Stich im Rücken. Danach war die Behandlung beendet“, wie der Zeuge vor Gericht bestätigte.
Was der „Patient“ nicht wusste, die Injektionsnadel war mit dem Aids auslösendem HI-Virus verseucht. Auch die Bekannte, die zu einer Konsultation des „Wunderheilers“ geraten hatte, wusste hiervon nichts. Schließlich wurde sie selbst Opfer des Angeklagten und trug ebenfalls eine HIV-Infektion durch eine vermeintliche Therapie davon. Ferner gab die Frau vor Gericht an, von dem Angeklagten „abhängig gewesen sein“.
Der Musiklehrer kann die ganze Aufregung indes nicht verstehen. Er sieht sich zu Unrecht angeklagt. Trotz des Prozesses arbeite er weiter als Musiklehrer. Weil es aber seinen Angaben zufolge eine „schlechte Presse“ gab, habe er nur noch einen Musikschüler zum Unterrichten. Der 54Jährige ist Privatlehrer für Musik.
Täter streitet Tat ab
Der „Heiler“ gab vor Gericht an, dass er die Opfer nicht angesteckt habe. Diese hätten sich vielmehr durch ungeschützten Sexualverkehr oder Drogenkonsum mit dem Aids-Virus infiziert. Die Klinik, die die Geschädigten behandelte, hätte seinen Angaben zufolge die Opfer „aktiv auf mich hetzt“. Viele seiner vermeintlichen Patienten seien seiner Meinung nach „neidisch auf das Haus“. Außerdem habe er in keinem Fall infiziertes Blut entnehmen und lagern können. Auch aufgrund seiner „Angst vor Blut“ habe er dies nicht tun können. Die Ermittlungen ergaben jedoch, dass er einem HIV-Positiven jahrelang das Blut abzapfte. Dem Infizierten habe er erzählt, eine Heilung herbei zu führen.
Urs Herren, Vorsitzender des Gerichtes sagte am Freitag, der Angeklagte sei „skrupellos, hinterhältig, sinnlos und menschenverachtend“ vorgegangen. Einige Opfer nehmen an, dass der Musiklehrer sie aus Habgier ansteckte. „Vermutlich steckte er mich an, um mit der versprochenen Heilung Geld zu verdienen“.
Der Geschäftsmann steckte sich im Jahre 2004 an. Nach seinem Besuch, so der Manager, habe er sich schwach gefühlt. In einer Klinik erfuhr er dann von seiner Infektionskrankheit. Mittlerweile ist bei ihm die Immunschwächekrankheit Aids ausgebrochen. Zunächst riet der behandelnde Oberarzt von einer Strafanzeige ab. Denn die These sei nur schlecht belegbar, so der Mediziner damals. Doch das Opfer ließ sich nicht beirren. „Mir war klar, dass es weitere Opfer geben wird, wenn wir nicht die Polizei einschalten.“ Als sich dann die Verdachtsfälle häuften, nahm auch die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf. Bei medizinischen Untersuchungen kam zudem zutage, dass der HI-Virus bei den unterschiedlichen Infizierten vom gleichen Erregerstamm stammte.
Dunkelziffer der Opfer noch höher?
Viele Opfer halten aus Scham ihr Infektion bis heute geheim. „Reporter, die den Prozess beobachteten, mussten sich verpflichten, nicht die Namen der Opfer zu veröffentlichen. Aus diesem Grund wurde auch nur geladene Journalisten zu der Verhandlung zugelassen. „Viele Opfer halten die Infektion bis zum heutigen Tage geheim“. Die Folgen möchte ich meiner Familie nicht zumuten, sagte auch der geschädigte Geschäftsmann. Andere schlossen sich gar nicht dem Prozessbegehren an. Einige stammten aus dem direkten familiären Umfeld des Täters. Der Prozess dauerte insgesamt 14 Tage und wurde durch die Medien in der Schweiz mit großer Beachtung verfolgt. Der Angeklagte will nun in Berufung gehen und das Urteil nicht akzeptieren. (sb)
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