Männergesundheitsbericht: Hohe Dunkelziffer bei Männern mit psychischen Störungen
25.04.2013
Platz eins der psychischen Erkrankungen bei Männern nehmen Depressionen ein. Aber auch Suchterkrankungen und Ängste gehören zu den häufigsten psychischen Probleme. Laut der Stiftung Männergesundheit habe sich der Anteil der psychischen Störungen als Ursache für Arbeitsunfähigkeit seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt. Demnach leiden neun Prozent der Männer an diagnostizierten Depressionen. Die Dunkelziffer liege jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich höher. Dafür spreche die rasante Entwicklung der Suizidrate bei Männern, so die Experten. Prominentes Beispiel ist der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati, der sich im November 2011 unmittelbar vor einem Spiel die Pulsadern in seinem Hotelzimmer aufschnitt. Er habe panische Angst gehabt, einen Fehler zu machen, so Rafati. Der 43-Jährige überlebte den Suizidversuch, kämpfte sich mit therapeutischer Unterstützung zurück ins Leben und schrieb ein Buch über die verzweifeltsten Stunden seines Lebens.
Psychische Probleme von Männern werden häufig tabuisiert
Der Männergesundheitsbericht wurde erstmals Ende 2010 vorgestellt. Bereits damals kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass männerspezifische Symptome bei psychischen Störungen bisher wenig erforscht sind und häufig in der Praxis fehlgedeutet werden. Grund genug für eine weitere Studie mit Fokus auf die psychische Gesundheit von Männern.
Männer und Frauen zeigen häufig unterschiedliche Symptome. „Frauen klagen über Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit, bei Männern äußert sich die Krankheit oft durch erhöhte Aggressivität oder Hyperaktivität, aber auch im Alkoholmissbrauch oder zwanghaften sexuellen Verlangen“, erklärte Prof. Anne Maria Möller-Leimkühler von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Männergesundheit e.V. Die Wissenschaftlerin präsentierte die Studie „Männergesundheitsbericht 2013“ gemeinsam mit einem Team am Mittwoch Abend bei einer Pressekonferenz. Unterstützung erhielt die Stiftung von der Deutschen Krankenversicherung DKV bei der Untersuchung.
Platz eins der psychischen Störungen bei Männern belegen Depressionen
Wie der Männergesundheitsbericht 2013 zeigt, belegen Depressionen bei den psychischen Störungen von Männern den ersten Platz. Auch Suchterkrankungen und Angstzustände treten häufig bei Männern auf. Neun Prozent der deutschen Männer (3,6 Millionen) leiden demnach an diagnostizierten Depressionen. Doch die Experten sind sich einig, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt. Dafür spreche vor allem die rasant steigende Suizidrate bei Männern, heißt es in einer Pressemitteilung der Stiftung Männergesundheit. Ursachen der „Unterbehandlung psychischer Störungen bei Männern sind mangelnde Hilfesuche, Männlichkeitsideologien, Angst vor Stigmatisierung, Fehldiagnosen in Richtung somatischer Erkrankungen, Unkenntnis über geschlechtstypische Symptomprofile (zum Beispiel bei Depression) und Gesundheitsangebote, die auf weibliche Bedürfnisse ausgerichtet sind und Männer daher nicht erreichen“, erklärte Möller-Leimkühler in einem Statement.
„Gesellschaftliche Aufmerksamkeit für die psychische Gesundheit von Männern entsteht erst bei massiven Auffälligkeiten, sprich Produktivitätsausfällen im Arbeitsbereich und damit verbundenen Folgekosten.“ Deshalb blieben Depressionen bei Männern häufig unentdeckt, so die Expertin. „Wenn Männer in seelischer Not sind, wird ihnen oft gesagt, sie sollen sich bloß mal etwas zusammenreißen, dann würde es schon gehen“, berichtete Matthias Stiehler, Mitherausgeber der Studie und psychologischer Berater im Gesundheitsamt Dresden.
Handlungsbedarf bestehe unter anderem in der Verbesserung des männlichen Gesundheitsverhaltens sowie der Depressionsdiagnostik und Therapie, der Entstigmatisierung von depressiven Männern, Reduzierung der chronischen Stressoren am Arbeitsplatz, Prävention von Gewaltverhalten sowie dem Ausbau der Forschung mit Schwerpunkt Männergesundheit und psychischer Gesundheit von Männern, so Möller-Leimkühler.
Immer mehr prominente Männer machen ihre Depressionen öffentlich
Dass Depressionen allgegenwärtig sind, zeigt auch das Beispiel des ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters Babak Rafati, der als prominenter Vertreter als Gesprächspartner an der Pressekonferenz teilnahm. Rafati hatte sich im November 2011 kurz vor einem Spiel die Pulsadern aufgeschnitten. Er habe unter Schlafstörungen, Schweißausbrüchen und Panikattacken gelitten, aus Angst einen Fehler zu machen. Der Suizidversuch des ehemaligen Schiedsrichters hatte für große Bestürzung gesorgt. Immer häufiger bekennen sich auch als „harte Kerle“ geltende Sportlern zu Depressionen. Was früher vor allem im Fußball als absolutes Tabu galt, rückt spätestens seit dem tragischen Selbstmord des Fußballtorwarts Robert Enke im Jahr 2009 mehr und mehr in die Öffentlichkeit.
Rafati berichtet von seinen verzweifeltsten Stunden in einem Buch, das kürzlich veröffentlicht wurde. „Ich hatte die Lust am Leben verloren.“ Doch mit Unterstützung einer Psychotherapie kämpfte sich der 43-Jährige wieder zurück ins Leben. Damals sei er jedoch nicht auf die Idee gekommen, dass sein Leiden „ein Zeichen für eine Depression ist“. (ag)
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