Neue Medikamente sind nur selten im Grundsatz besser
11.05.2013
Jahr für Jahr erhöht sich die Zahl zugelassener Arzneien in Deutschland. Für neue Medikamente wird durch das Arzneimittelgesetz der Nachweis eines Zusatznutzens gefordert. Erste Auswertungen ergaben dass nur eins von fünf neuen Produkten deutlich besser war.
Selten Zusatznutzen durch neue Medikamente
Für die Pharmahersteller ist durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (Amnog) der Druck entstanden, zu belegen, dass ein neu zugelassenes Medikament besser ist, als jene, die es bereits vorher auf dem Markt gab. Mit diesem relativ neuen Gesetz, dass 2011 in Kraft trat, beschäftigt sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Gremium im Gesundheitswesen, dem Vertreter von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken angehören. Der G-BA hat nun eine erste Bilanz gezogen und kommt zu dem Ergebnis, dass zwar zwei von drei neuen Arzneimitteln gegen schwere Krankheiten (wie zum Beispiel Krebs, Diabetes oder Bluthochdruck) besser helfen als die bislang gängigen, aber ein deutlicher Zusatznutzen sei meist nicht zu bescheinigen. Der Deutschen Presseagentur (dpa) liegen dazu die Ergebnisse aus einer offiziellen G-BA-Prüfung vor. Demnach fällt die Bilanz folgendermaßen aus: Nur in sieben Fällen von 37 überprüften Mitteln erkannte die G-BA einen beträchtlichen Zusatznutzen. Bei 14 weiteren wurde ein geringer und in dreien ein nicht näher bestimmbarer zusätzlicher Nutzen ausfindig gemacht. Kein Mehrwert oder fehlende vollständige Nachweise wurde den meisten anderen Medikamenten bescheinigt.
Neue Arzneimittel fast immer kostenintensiver
Im Gesundheitswesen wird noch über die Beurteilungen dieser Bewertungen gestritten. Weitaus zahlreichere Überprüfungen stehen noch an. Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken sagte, dass sich zeige, die Bewertungen seines Gremiums seien fair. „Damit liegen wir deutlich über den Bewertungsergebnissen in anderen Vergleichsstaaten", so Hecken. Im Gegensatz dazu haben Vertreter der Pharmaindustrie immer wieder vor den Bewertungsverfahren gewarnt. Birgit Fischer, Geschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), meinte, dass durch die Bewertungen die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln in der Realität nur noch bei wenigen ankomme. Sie begründete dies damit, dass der G-BA, wie auch Prüfinstanzen in anderen Ländern zwar bei ähnlich vielen Medikamenten einen Zusatznutzen definiere, meinte jedoch auch: „Durch seine Entscheidungspraxis beschränkt der G-BA diesen Zusatznutzen aber tatsächlich auf einen kleineren Teil der Patienten." Der G-BA unterscheidet bei der Bewertung eines Medikamentes zwischen dem zusätzlichen Nutzen für verschiedene Patientengruppen, bei denen das Mittel angewendet wird. Die Zahl der Patienten, für die ein Zusatznutzen entstehe, werde dabei künstlich klein gehalten, so ein Vorwurf Fischers. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) findet, dass viele angebotene Medikamente „überflüssig sind.“ So gebe es etwa 50.000 unterschiedliche Arzneien auf dem Markt. „Ohne Qualitätsverlust könnte deren Zahl auf 10.000 reduziert werden.“ Und ein Arzneimittelreport der Barmer stellte gar fest, dass rund 40 Prozent neuer Mittel „keinen zusätzlichen Nutzen für den Patienten bieten“ und nur höhere Ausgaben verursachen. („“)
Ziel sind milliardenschwere Einsparungen
Infolge der neuen Bewertungen führten erstmals vor einem Jahr ein Pharmahersteller und Krankenkassen ihre Preisverhandlungen zum Abschluss. Das Amnog sieht vor, dass nur was wirklich mehr bringt, auch mehr kosten soll. Derzeit wird die Bewertung schon länger auf dem Markt befindlicher Medikamente erwartet. Im April hatte der G-BA eine solche Prüfung des sogenannten Bestandsmarktes beschlossen. Mittel zur Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes, Depressionen oder Osteoporose stehen zuvorderst auf der Prüfliste. Durch die Bewertungen sollen Einsparungen in Milliardenhöhe gemacht werden, so das politische Ziel. Geprüft werden sollen die umsatzstärksten Mittel, die unter Patentschutz stehen und teils seit Jahren millionenfach verschrieben wurden. Für die erste Runde wurden Arzneien ausgewählt, die ein Umsatzvolumen von zusammen etwa fünf Milliarden Euro haben, so Hecken. Auf Basis einer wissenschaftlichen Expertise und Dossiers der Produzenten stellt sie der G-BA auf den Prüfstand. Laut Hecken müssen am 15. Oktober die ersten Dossiers der Firmen vorgelegt werden. (sb)
Bild: Sara Hegewald / pixelio.de
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