Immer mehr Deutsche glauben an Esoterik
16.05.2013
Esoterik wird immer beliebter – jeder vierte Deutsche sei mittlerweile gegenüber Wunder- und Geistheilern aufgeschlossen, so das aktuelle Ergebnis der der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus).
Esoterik boomt in Westdeutschland
Wie die „ZEIT“ in Hinblick auf die aktuellen Allbus-Daten berichtet, erfährt der Bereich der Esoterik derzeit offenbar einen regelrechten Boom – demnach hätten rund 40 Prozent der Bevölkerung Sympathien für Astrologie oder New Age, mehr als 50 Prozent der Befragten hätten sich zudem positiv gegenüber Anthroposophie und Theosophie geäußert. Dabei zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen Ost und West, wo jeder Zweite an Wunder und etwa jeder Vierte an die Wiedergeburt glauben würde, so der Bericht der ZEIT.
Esoterische Vorstellungen gelten zunehmend als normal
Themen wie die Wiedergeburt scheinen demnach ihr „abgehobenes“ Image nach und nach zu verlieren, stattdessen würden "Esoterische Vorstellungen [.] zunehmend als normal" gelten, so der Münsteraner Soziologe Detlef Pollack in der „ZEIT“. Gründe hierfür sieht der Bayreuther Religionssoziologe Christoph Bochinger in der zunehmenden Individualisierung – so gäbe es gerade unter Großstädtern im Westen, Abiturienten, religiös Interessierten und Frauen offenbar ein starkes Bedürfnis, sich ein eigenes Weltbild zu konstruieren und danach zu handeln. Hier helfe die Esoterik, die laut Pollack einem Supermarkt mit dem gesammelten Fundus der Religionen gleiche, so die ZEIT.
Steht eine stille spirituelle Revolution bevor?
Die große Offenheit gegenüber esoterischen Inhalten könne laut Okkultismusforscherin und Präsidentin der Universität Augsburg, Sabine Doering-Manteuffel, auf eine "stille spirituelle Revolution", hindeuten, die sich über Europa ausbreite, denn hier würden „Weltbilder verändert wie in keiner Missionsphase der europäischen Geschichte zuvor“, so der Bericht der ZEIT weiter.
Langfristige Auseinandersetzung mit esoterischen Themen eher selten
Für Christel Gärtner, Sprecherin der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, haben die aktuellen Zahlen hingegen weniger Aussagekraft – denn auch wenn sich 40 Prozent der Bundesbürger offen für Astrologie zeigen würden, hieße dies aus Sicht Gärtners noch lange nicht, dass hier eine langfristige tiefe Verwurzelung bestehe. Denn gerade in der Esoterik wäre es laut der Soziologin eher selten, dass Menschen sich über einen längeren Zeitraum mit einem Thema – wie zum Beispiel der Astrologie – beschäftigen würden, stattdessen läge der Anteil hier seit Jahren konstant bei nur etwa fünf Prozent. Einen deutlichen Zuwachs habe in den letzten Jahren hingegen das Angebot an esoterischer Literatur erhalten – was in Kombination mit der medialen Präsenz esoterischer Themen aus Gärtners Sicht dazu geführt habe, dass immer mehr Menschen in Kontakt mit Spiritualität kämen.
Kritischer Forscher fordert „religiösen Verbraucherschutz“
Dabei könnte der Bereich der Esoterik aus Sicht von Hartmut Zinser in den nächsten Jahren noch deutlich stärker werden, denn „esoterische und okkulte Vorstellungen sind zu einem Teil unserer Alltagskultur geworden. Dies könnte noch weiter zunehmen mit der Verschärfung der sozialen Fragen, also Arbeitslosigkeit, Orientierungs- und Perspektivlosigkeit“, so der pensionierte Professor für Religionswissenschaften an der Freien Universität Berlin in einem Interview mit der „Welt“. Laut Zinser, der kritisch über Esoterik forscht, seien die Gründe für die steigende Sympathien gegenüber spirituellen Inhalten zum einen Interesse am Außergewöhnlichen, Neugier und Unterhaltung, zum anderen aber auch der Wunsch nach einer Orientierungs- und Entscheidungshilfe. Doch gerade hier sieht der Professor auch Gefahren, denn seiner Meinung nach gäbe es keine „respektablen esoterischen Angebote“ – so gäbe es zwar „ungeklärte Sachen, die wir nicht wissen. Aber mit der esoterischen Interpretation von Geistern und Göttern ist nichts anzufangen“. Besondere Vorsicht sei dabei seiner Ansicht nach geboten, „wenn es um Heilungsprozesse geht, wenn Leute krank sind und deswegen nicht zum Arzt gehen“, sondern eher der spirituellen Medizin vertrauen, so der Religionswissenschaftler im Gespräch mit der „Welt“. In einem solchen Fall müsse es einen „religiösen Verbraucherschutz“ geben, doch da gäbe es aufgrund der Religionsfreiheit wenig Handlungsspielraum: „Wir können bloß Geschäftemacher verantwortlich machen. Wenn eine Auskunft nicht stimmt oder etwas nicht klappt: Geld zurück. Wenn man ein Auto kauft, das nicht fährt, kriegt man ja auch sein Geld zurück.“ (nr)
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
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