Angst vor Brustkrebs steigert Klinik-Anfragen
10.06.2013
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass sich die Schauspielerin Angelina Jolie wegen Fällen von Brustkrebs in der Familie ihre Brüste vorsorglich entfernen ließ. Seitdem steigt auch in Deutschland die Angst und führt zu mehr Nachfragen in Kliniken.
Hochrisikopatientinnen fragen verstärkt
Bei einer neulich stattgefundenen Filmpremiere hatte sich die 38-jährige Hollywood-Schauspielerin Angelina Jolie nach ihrer Operation wieder wie eh und je strahlend den Fans gezeigt. Dies war einer der ersten Auftritte, nachdem sie sich vor einigen Wochen aus Angst vor Brustkrebs vorsorglich ihre Brüste hatte entfernen lassen. Ihr öffentliches Bekenntnis hatte offenbar auch in Deutschland bei vielen Frauen die Angst geschürt. So sind in vielen Kliniken Beratungstermine für Monate ausgebucht und die Telefone stehen kaum noch still. Eine Mitarbeiterin der Uniklinik München sagte: „Wir sind regelrecht platt gemacht worden.“ Allerdings blieb die befürchtete Welle der Hysterie aus, die Experten unmittelbar nach Bekanntwerden des Falles vorhergesagt hatten. Die Gynäkologin Dorothee Speiser erklärte jedoch, dass an der Berliner Charité seit Jolies öffentlichem Bekenntnis Anfang Mai so viele Anfragen eingingen, wie zuvor im gesamten ersten Quartal. So wollten etwa 180 Frauen wissen, ob sie ebenfalls ein hohes Brustkrebsrisiko zu befürchten haben, ob Gentests möglich seien oder ob gar eine Brustentfernung nötig wäre. Ein Großteil der anfragenden Frauen waren sogenannte Hochrisikopatientinnen, hätten also in ihrer direkten Verwandtschaft mehrere Fälle von Brustkrebs.
Expertin rät Ruhe zu bewahren
Die Schauspielerin hatte ihre Entscheidung zur Amputation mit ihrem erhöhten familiären Risiko begründet. In einem Gentest sei bei ihr das Brustkrebs-Risikogen BRCA-1 entdeckt worden. Auch war die Mutter von Angelina Jolie im Alter von 56 Jahren an Eierstockkrebs gestorben, was für ein erhöhtes familiäres Risiko spricht. Susanne Volpers von der „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ erklärte aber, dass nur fünf Prozent der weiblichen Bevölkerung von einer familiären Häufung betroffen seien. Frauen sollten sich vor einem möglichen Gentest gut informieren und sich auch fragen, ob sie das Ergebnis auch wirklich wissen wollen. Wird eine Genmutation festgestellt, gibt es anstelle einer vorsorglichen Amputation auch die Möglichkeit, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. Die Leiterin des Dresdner Brustzentrums, Pauline Wimberger, rät: „Es ist wichtig Ruhe zu bewahren“, und „nicht jeder, der Krebs in der Familie hat, hat diesen Gen-Defekt." Darüber hinaus müsse sich nicht jede Frau mit dieser Mutation, die Brüste abnehmen lassen. Das entfernen der Brüste sei ein radikaler Schritt, so Dorothee Speiser von der Charité. An der Berliner Klinik werden pro Jahr 20 solche Operationen durchgeführt. Am Düsseldorfer Uniklinikum wurde in jüngster Zeit schon festgestellt, dass, scheinbar durch das Vorbild Jolie, mehr Patientinnen mit hohem Risiko eine Brustentfernung durchführen lassen.
Gesteigerte Anfragen führen zu Personalengpässen
Mit rund 74.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. „Je früher die Krankheit erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen und umso sanfter die Behandlungsmethoden – erfolgt eine Diagnose in einem sehr frühen Stadium, muss zur Behandlung häufig kein operativer Eingriff vorgenommen werden oder es kann brusterhaltend operiert werden“, so Dr. Jörg Loth, Geschäftsführer der IKK Südwest. Deshalb sind Beratung und Früherkennung von so großer Bedeutung. Bundesweit haben sich an vielen Unikliniken und Brustzentren die Anfragen in jüngster Zeit verdoppelt bis vervierfacht. So meinte Pauline Wimberger, in Dresden hätten sich die Zahlen „im Schnitt um das Fünffache erhöht, an Spitzentagen sogar um das Zehnfache.“ Seit den Schlagzeilen über Jolies Entscheidung hat das Uniklinikum Leipzig mehr als 80 Anfragen erhalten, statt normalerweise zwei bis drei pro Woche. Viele Kliniken stellt die gesteigerte Nachfrage vor organisatorische Schwierigkeiten. So waren zum Beispiel am Hannoveraner Zentrum für Brust- und Eierstockkrebs frühere Kollegen für die Beratung zurückgeholt worden.
Der Direktor der Frauenklinik am Uniklinikum Ulm, Wolfgang Janni, sagte, man suche derzeit nach Möglichkeiten, die vorhandenen Kapazitäten aufzustocken. Allerdings sei es nicht einfach, Angestellte mit entsprechender Fachkenntnis zu finden. Viele der Kliniken leisten auch zusätzlich am Telefon Aufklärungs- und Beruhigungsarbeit. Anhand einer Checkliste klärt beispielsweise der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg darüber auf, ob man sich untersuchen lassen sollte. Christian Albering vom Berufsverband der Frauenärzte sagte, dass Brustkrebs nun ebenfalls beim Gynäkologen verstärkt thematisiert werde. Viele Frauen würden jetzt erstmals überhaupt über familiäre Erkrankungen sprechen und Angebote zur Beratung und Früherkennung wahrnehmen. (sb)
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