Evolutionsstudie aus Kanada: Menopause durch Männer-Vorlieben ausgelöst?
16.06.2013
Während der Evolution könnte sich die weibliche Menopause deshalb entwickelt haben, weil Männer auf jüngere Frauen stehen. So in etwa sind die Schlussfolgerungen zu interpretieren, zu denen kanadische Wissenschaftler anhand von Computersimulationen kamen.
Die Vorliebe der Männer für jüngere Frauen
Hat sich die Menopause bei Frauen entwickelt, weil Männer eine Vorliebe für jüngere Partnerinnen haben? Zumindest behaupten das kanadische Wissenschaftler der McMaster University in Hamilton im Fachjournal PLOS Computational Biology. Zu dieser Annahme kamen sie, indem sie verschiedene Verhaltensweisen der Geschlechter und die Auswirkungen von Mutationen auf menschliche Populationen mit Hilfe von Computersimulationen analysiert haben. Diese Theorie steht im Widerspruch zu bisherigen Erklärungsversuchen für das Ende der Reproduktionsfähigkeit bei Frauen lange vor dem Lebensende, die besagen, dass es sich dabei um eine rein physiologische Folge des Alterns handelt. Gegen diese Theorie spricht jedoch, dass es außer dem Menschen nur bei zwei weiteren Arten zu diesem Phänomen kommt, den Killer- und den Grindwalen. Die Weibchen von allen anderen Arten sind bis ins hohe Alter fortpflanzungsfähig. Auch die der Schimpansen, dem nächsten Verwandten des Menschen. Nur in Gefangenschaft konnte bei ihnen eine Art Menopause beobachtet werden. Die Menopause ist der Zeitpunkt der letzten spontanen Menstruation im Leben einer Frau, womit dann auch die Fruchtbarkeit einer Frau beendet ist. In den Jahren vor und nach der Menopause, die im Volksmund auch als Wechseljahre bezeichnet werden, kommt es bei Frauen zu einer hormonellen Umstellung. Wenig bekannt ist, dass es auch bei Männern zu sogenannten Wechseljahren mit Wechseljahrbeschwerden kommen kann, der Andropause.
Sogenannter Großmutter-Effekt umstritten
Ein weiterer Erklärungsansatz geht davon aus, dass der Fortpflanzungserfolg von Frauen insgesamt größer sein könnte, wenn sie, anstatt selbst Nachwuchs zu produzieren, im Alter von 40 bis 50 helfen, Enkel großzuziehen. Dieser Ansatz, der sogenannte Großmutter-Effekt, bezieht sich auf einen möglichen Evolutionsvorteil, der durch solches Verhalten erzielt werden könne. Denn am Ende würden mehr Jungtiere, also einschließlich der Enkel, Erbgut des Weibchens tragen, als wenn es ausschließlich auf eigene Kinder setzt. „Genetische Gesamtfitness“ wird dies von Experten genannt. Eine Schwangerschaft und die Versorgung von Kleinkindern sind eine große Belastung und damit sei die Wahrscheinlichkeit für eine ältere Frau, ihre Kinder erfolgreich großzuziehen, in der Vergangenheit eher gering gewesen. Deshalb sei es denkbar, dass sich Mutationen durchgesetzt haben, die zu dem genannten Großmutter-Effekt innerhalb der menschlichen Art geführt haben. Rama Singh von der McMaster University hält von dieser Vorstellung allerdings nichts. Seiner Meinung nach widerspräche dies dem Prinzip der natürlichen Selektion. Dabei würden nämlich Organismen bevorzugt, die sich möglichst effektiv fortpflanzen. Und jene, die damit aufhören, würden benachteiligt. Also würde eine Reproduktionsstrategie, die ineffektiv ist, letztlich zu einem Aussterben ihrer Vertreter führen. Darüber hinaus würde mit der Idee des Großmutter-Effekts der Einfluss ignoriert, den das männliche Verhalten auf die Fortpflanzungserfolge haben kann.
Immer schon eine Präferenz für jüngere Frauen?
Dem Team um Singh zufolge könnte die Entwicklung der Menopause ganz einfach damit zusammenhängen, das Männer die Neigung zeigen, sich Partnerinnen zu suchen, die jünger als 40 oder 50 sind. So sagte der Evolutionsbiologe der BBC gegenüber: „Es gibt in der Geschichte der Menschheit Hinweise darauf, dass es [bei Männern] immer eine Präferenz für jüngere Frauen gab.” In seinen Überlegungen kommt er zu dem Schluss, dass sich Frauen und Männer das ganze Leben lang fortpflanzen könnten, wenn Frauen bis ans Lebensende Kinder bekommen könnten und Männer nicht die Neigung zu jüngeren hätten. Letztlich wäre der Grund, warum ältere Frauen dann keine Kinder mehr bekommen, weil ihnen ganz einfach ein Sexualpartner fehlt. Damit entfällt der Zweck, weiterhin fruchtbar zu bleiben und so sei bei ihnen im Laufe der Entwicklungsgeschichte des Menschen die Fortpflanzungsfähigkeit verschwunden.
Mutationen vermutet
Warum kam es bei der menschlichen Evolution aber dann zur Entwicklung der Menopause? Auf diese Frage bezogen, argumentieren die kanadischen Wissenschaftler mit vermuteten Mutationen. So könnten sich, wenn junge Frauen betroffen sind, Veränderungen im Erbgut, die unfruchtbar machen, zwar nicht durchsetzen. Wenn sie aber keine Kinder bekommen, steckt die Mutation sozusagen in einer Sackgasse. Bei Seniorinnen, die wegen dem Verhalten der Männer sowieso keine Kinder mehr bekommen, sieht es mit Mutationen, die zur Unfruchtbarkeit von älteren Frauen führen, schon anders aus. Denn sie könnten diese Genveränderungen schon als junge Frauen an ihre Töchter weitergeben, die dann ebenso als ältere Frauen unfruchtbar werden.
Positive Auswirkung auf den Fortpflanzungserfolg
Die Forscher untersuchten mit Hilfe ihrer Computermodelle die Entwicklung einer virtuellen Ausgangspopulation von Männern und Frauen, die sich bis zu ihrem Lebensende fortpflanzen konnten. Die Wissenschaftler ließen gelegentlich auftretende Mutationen auf diese Population wirken, welche die Sterblichkeit und die Fruchtbarkeit im Alter einschränkten. Bei älteren Frauen häuften sich Mutationen, die die Fortpflanzung einschränkten, wenn dem männlichen Teil eine Präferenz für jüngere Partnerinnen einprogrammiert wurde. Die Schlussfolgerungen von Singh und seinem Team besagt, dass dies letztlich zur Entstehung einer Menopause geführt habe. Eigentlich können sich Mutationen nur unter bestimmten Bedingungen soweit durchsetzen, dass alle Vertreter einer Art letztlich das entsprechende Merkmal zeigen und zwar, dass die Folgen sich positiv auf den Fortpflanzungserfolg auswirken. Oder ein anderer Faktor wirkt zugleich so, dass die Reproduktion dadurch nicht eingeschränkt wird und sich das Merkmal mit der Zeit einfach nach und nach in einer Population ausbreitet. Die Mutation hätte in so einem Fall keinen Effekt auf die Fortpflanzung, da sowieso kein Partner verfügbar ist.
Jüngere Frauen können sich längerfristig um Kinder kümmern
Singh sagte der britischen Zeitung „the guardian“, dass Männer in den Fünfzigern ihre Fruchtbarkeit verlieren würden, wäre die Situation anders herum, nämlich so, dass Frauen eine Neigung zu jüngeren Männern zeigten. Die Lebenserwartung sei ein Faktor, der bei der Präferenz der Männer für junge Frauen eine Rolle gespielt haben könnte. Frauen dürften in der Vergangenheit nicht lange über die reproduktive Zeit hinaus überlebt haben. Und so hätten Männer eine Vorliebe für junge Frauen entwickelt, da damit die Wahrscheinlichkeit größer gewesen sei, dass sie sich längerfristig um die Kinder kümmern konnte, als eine ältere Partnerin.
Deutliche Kritik an der Studie
An der Studie gibt es allerdings auch deutliche Kritik. Maxwell Burton-Chellew von der University of Oxford in Großbritannien geht trotz der Ergebnisse weiterhin davon aus, dass jüngere Frauen von Männern deshalb bevorzugt werden, da sie noch eine größere Chance auf Nachwuchs bieten, was aber nicht heißen soll, dass der bewusste Kinderwunsch zu diesem Trieb führt. Eher dürfte eine unbewusste Neigung dafür ausschlaggebend gewesen sein, die sich in der Evolution durchgesetzt hat. Burton-Chellew sagte der BBC gegenüber: „Ich denke, es macht mehr Sinn, die männliche Neigung vor allem als eine evolvierte Reaktion auf die Menopause zu betrachten und anzunehmen, dass unsere männlichen Ahnen weise genug waren, sich mit solchen Frauen zu vereinen, die Nachwuchs zeugen konnten.” Ältere Frauen hätten dann aber vor einer interessanten evolutionären Wahl gestanden, und zwar, „zu versuchen, weitere Kinder zu produzieren, die vor dem Tode der Mutter kaum ausgewachsen sein dürften, oder die Fortpflanzung einzustellen und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, den jüngeren Verwandten bei der Reproduktion zu helfen.” (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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