Forscher entschlüsseln körpereigenen Krebsschutz der Nacktmulle
20.06.2013
Nacktmullen verfügen über einen körpereigenen Krebsschutz. US-Wissenschaftler des Instituts für Biologie an der University of Rochester und der Havard School of Public Health haben nun gemeinsam mit israelischen und chinesischen Forschern herausgefunden auf welchem Weg die Nacktmulle ihre ungewöhnliche Resistenz gegen Krebs aufbauen. Sie hoffen den Mechanismus künftig für die Behandlung von Krebs nutzen zu können.
Im Fachmagazin „Nature“ berichtet das Team um Vera Gorbunova und Andrei Seluanov von der Rochester Universität, dass ihnen die Entschlüsselung des Mechanismus gelungen sei, der Nacktmulle vor Krebs schützt. „Wir fanden heraus, dass Nacktmull-Fibroblasten sehr viel Hyaluronsäure (HA) mit extrem hohem Molekulargewicht absondern“, schreiben die Forscher. Dies habe zur Folge, das die sogenannte Kontaktinhibition, welche bei Kontakt der Zellen mit den Nachbarzellen ein weiteres Zellwachstum bremst, bei den Nacktmullen deutlich früher einsetzt. Ein unkontrolliertes Zellwachstum werde auf diesem Wege vermieden.
Nacktmulle mit ungewöhnlichen körperlichen Eigenschaften
Nacktmulle sind für die Wissenschaft ein äußerst interessantes Forschungsobjekt, da sie eine Vielzahl von Besonderheiten aufweisen. So zeigen Nacktmulle mit einer maximalen Lebensdauer von mehr als 30 Jahren eine außergewöhnliche Langlebigkeit, insbesondere angesichts ihrer geringen Körpermasse. „Im Vergleich dazu hat eine ähnlich große Hausmaus eine maximale Lebensdauer von vier Jahren“, schreiben die US-Forscher. Auch kommen Nacktmulle ohne Sonnenlicht aus, wofür sie einen speziellen Mechanismus der Vitamin-D-Bildung entwickelt haben. Zudem fehlt den Nagern offenbar jegliches Schmerzempfinden.
Nacktmulle erkranken nie an Krebs
Für das Forscherteam um Vera Gorbunova und Andrei Seluanov war die in früheren Untersuchungen beobachtetet Krebsresistenz der Nager im Rahmen ihrer aktuellen Untersuchungen von besonderem Interesse. In „Multi-Jahres-Beobachtungen von großen Nacktmull Kolonien war nicht ein einzelnes Auftreten von Krebs zu erkennen“, schreiben die Forscher. Auf welchem Wege Nacktmulle ein unkontrolliertes Zellwachstum und damit die Bildung von Tumoren verhindern, blieb bislang jedoch unklar. Um dies zu klären, legten die Wissenschaftler Zellkulturen von Nacktmull-Fibroblasten (Nacktmull-Bindegewebezellen) im Labor an und beobachteten deren Entwicklung. Dabei stellten sie fest, dass die Konsistenz der Zellkulturen sich deutlich von denen anderer Nagetieren unterschied. Die Zellkulturen der Nacktmulle-Bindegewebezellen waren klebriger und zähflüssiger als die von Mäusen und auch als die von Menschen, berichten die Wissenschaftler.
Unkontrolliertes Zellwachstum bei Nacktmullen frühzeitig unterbunden
Ursächlich für die zähere Konsistenz der Zellkulturen aus Nacktmull-Fibroblasten war laut Aussage der Forscher ein deutlich höherer Anteil an Hyaluronsäure, die zudem ein mehr als fünfmal größeres Molekulargewicht gegenüber Menschen und Mäuse zeigte. „Diese hochmolekularen HA-Masse reichert sich durch die verringerte Aktivität von HA-abbauenden Enzymen und eine einzigartige Sequenz von Hyaluronansynthase 2 reichlich in Nacktmull-Gewebe an“, berichten Gorbunova und Seluanov. Die Hyaluronsäure spielt eine wesentliche Rolle bei der bereits erwähnten Kontaktinhibition. Hier zeigte sich, dass die Nacktmull-Zellen auch weit empfindlicher auf „die HA-Signalisierung reagierten, da sie eine höhere Affinität im Vergleich mit der Maus oder menschlichen Zellen hatten“, so die US-Forscher weiter. Mit anderen Worten: Ein weiteres Zellwachstum wurde deutlich früher unterbunden.
Hyaluronsäure schützt Nacktmulle vor Krebs
In weiteren Versuchen überprüften die Wissenschaftler, ob der Krebsschutz der Nacktmulle mit der Hyaluronsäure zusammenhängt, indem sie deren Konzentration in den Zellkulturen reduzierten und anschließend beobachteten, wie sich die bösartigen Zell-Transformationen entwickelten. Tatsächlich stellten sie fest, dass ohne den Schutz der erhöhten HA-Konzentration, auch die Nacktmull-Bindegewebezellen bösartige Veränderungen aufwiesen. Damit scheint klar, dass der Krebsschutz der Nacktmulle auf die hohe Hyaluronsäure-Konzentration zurückgeht. Wieso die Nager jedoch einen derart hohen Anteil der Hyaluronsäure im Bindegewebe aufweisen, ist bislang jedoch unklar. „Wir spekulieren, dass die Nacktmulle eine höhere Konzentration von HA in der Haut entwickelt haben, um die benötigte Elastizität der Haut für das Leben in unterirdischen Tunneln zu liefern“, erklären die Forscher. Als Nebeneffekt habe diese Eigenschaft dann die Krebsresistenz und Langlebigkeit dieser Art mit sich gebracht.
Neuer Ansatz für die Krebstherapie
Sollten sich die Erkenntnisse des Forscherteams um Vera Gorbunova und Andrei Seluanov in weiteren Untersuchungen bestätigen, könnte Hyaluronsäure in Zukunft möglicherweise einen wesentlichen Beitrag zur Krebstherapie beziehungsweise -vorbeugung leisten.Ein weiterer Vorteil dabei wäre, das Hyaluronsäure derzeit bereits zu medizinischen Zwecken eingesetzt wird und daher relativ gut erforscht ist. Bisher kommt HA vor allem bei der Behandlung von Arthrose zum Einsatz, wobei der Wirkstoff als eine Art Puffer direkt ins Gelenk gespritzt wird. Auch in einigen Augentropfen und Nasensprays ist Hyaluronsäure enthalten. Die vielversprechendste Wirkung der Hyaluronsäure haben die Forscher möglicherweise jedoch erst jetzt entdeckt. (fp)
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