Britische Forscher untersuchen Zusammenhang zwischen Stillen und sozialem Aufstieg
25.06.2013
Stillen oder Flaschennahrung? Ein Thema, das immer wieder für kontroverse Diskussionen sorgt. Seit einigen Jahren entscheiden sich wieder immer mehr Frauen dazu, ihren Kindern die Brust zu geben – und bekommen dabei nun Unterstützung von britischen Forschern.
Das Thema Stillen sorgt immer wieder für kontroverse Diskussionen
Über das Stillen wird seit Jahren immer wieder diskutiert: Für die einen ist Muttermilch das Beste überhaupt, weil das Stillen eine enge Bindung zwischen Mutter und Kind fördert und Krankheiten verhindern soll. Auf der anderen Seite gibt es Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht stillen können oder wollen, die schnell nach der Geburt wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren oder die sich das Füttern des Kindes innerhalb der Partnerschaft teilen möchten.
Popularität des Stillens ist dem Zeitgeist unterworfen
Die Popularität des Stillens ändert sich immer wieder mit dem Zeitgeist – gegenwärtig entscheiden sich immer mehr Frauen dafür, ihren Kindern die Brust zu geben, wobei dieser Trend von diversen Studien unterstützt wird, welche die Vorteile des Stillens gegenüber künstlich erzeugter Ersatznahrung aufzeigen. So kam beispielsweise eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2004 zu dem Ergebnis, dass in den USA das Risiko der Kindersterblichkeit bei gestillten Babys deutlich geringer war als bei nicht gestillten. Weitere Studien kamen zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Muttermilch die Lungenfunktion der Kinder verbessert oder dass gestillte Babys insgesamt weitaus besser vor Infektionskrankheiten geschützt seien und dementsprechend im Laufe des ersten Lebensjahres wesentlich seltener krank werden würden als Kinder, die keine Muttermilch erhielten.
Positive Effekte auch auf den Intelligenzquotienten
Doch seit einigen Jahren wird in Hinblick auf das Stillen noch ein weiterer Pluspunkt vermutet: Denn neben den gesundheitlichen Vorteilen könne dieses aus Experten-Sicht unter Umständen auch einen positiven Effekt auf den Intelligenzquotienten haben – und dementsprechend dazu führen, dass gestillte Babys als Erwachsene sozial besser gestellt wären als nicht-gestillte Kinder.
Britische Forscher befragen mehr als 33.000 Menschen
Um demnach „den Zusammenhang zwischen Stillen und generationsübergreifender sozialer Mobilität und die mögliche Vermittlerrolle von neurologischen sowie stressbedingten Mechanismen“ zu untersuchen, haben britische Wissenschaftler vom „University College London“, nun eine „Sekundäranalyse der Daten aus zwei großangelegten britischen Kohortenuntersuchungen“ durchgeführt. Für diese Langzeitstudien waren 17.419 Menschen des Jahrgangs 1958 sowie rund 16.771 Menschen des Jahrgangs 1970 untersucht worden, indem die Gesundheits- und Sozialdaten aller Probanden im Zeitraum vom zehnten bzw. elften Lebensjahr bis zu ihrem 33. bzw. 34. Geburtstag erhoben wurden.
Chance auf sozialen Aufstieg bei gestillten Kindern um ein Viertel erhöht
Die britischen Forscher kamen zu einem interessanten Ergebnis: „Bei Personen, die gestillt worden waren, stieg die Wahrscheinlichkeit für einen sozialen Aufstieg, dabei waren die Chancen für die soziale Aufstiegsfähigkeit innerhalb der 1958 Kohorte und der 1970er Kohorte gleich“, so die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Archives of Disease in Childhood“ – und schreiben weiter: „Auch in Hinblick auf das Risiko des sozialen Abstiegs war ein Zusammenhang mit dem Stillen zu erkennen: So bewegten sich gestillte Mitglieder der jeweiligen Kohorten weniger wahrscheinlich in niedrigere sozio-ökonomische Positionen.“
Demnach erhöhte sich bei den Kindern, die gestillt worden waren, die Chance auf sozialen Aufstieg um ein Viertel – dementsprechend könne den Forschern nach von einem nachhaltigen Nutzen der Ernährung mit Muttermilch gesprochen werden: „Unsere Studie erweitert die Erkenntnisse über den gesundheitlichen Nutzen des Stillens insofern, als sie zeigt, das es lebenslange soziale Vorteile haben kann", so die Wissenschaftler weiter.
Auch das emotionale Wohlbefinden bei ehemaligen Still-Kindern höher
Neben den sozialen Vorteilen konnten die Forscher zudem aufzeigen, dass auch das emotionale Wohlbefinden in der Gruppe der ehemals gestillten Menschen, sowohl im Alter von zehn als auch mit 33 Jahren größer war. Auslöser hierfür könnten den Experten nach die mehrfach ungesättigten Fettsäuren sein: Denn diese werden bei der Entwicklung des Gehirnes benötigt und kommen in der Muttermilch in hoher Konzentration vor – demnach könne also vermutet werden, dass die Milch die Entwicklung des Gehirns und damit verknüpft die Intelligenz und die Chancen für einen sozialen Aufstieg positiv beeinflussen könne.
Nicht zu vernachlässigen: Der enge Hautkontakt beim Stillen
Nicht so einfach zu messen sei den Forschern nach hingegen inwiefern sich das Stillen auf die lebenslang prägende emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind auswirken würde, wobei davon ausgegangen werden könne, dass auch diese durch das Stillen erhöht wird. Doch hier sei auch der direkte Hautkontakt nicht zu vernachlässigen, denn dieser sei den Wissenschaftlern nach ebenfalls ein wichtiger Faktor, der zu den aktuellen Ergebnissen beigetragen hätte.
WHO empfiehlt sechs Monate voll zu stillen
Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder die Nationale Stillkommission sprechen sich ganz klar für das Stillen aus – in Hinblick auf die Stilldauer bei Säuglingen existieren jedoch unterschiedliche Meinungen: Denn während die WHO empfiehlt, mindestens sechs Monate voll zu stillen und erst dann mit der so genannten „Beikost“ zu beginnen, kamen britische Forscher bereits vor einigen Jahren in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Babys in Industriestaaten schon vom vierten Monat an neben der Muttermilch auch mit anderen Nahrungsmitteln gefüttert werden sollten.
Allergien und Eisenmangel durch langes Stillen?
Das Forscherteam hatte damals eine Reihe aktueller Studien zum Thema Stillen analysiert und kam zu dem Schluss, dass Babys, die länger voll gestillt werden, unter Allergien und Eisenmangel leiden könnten. Einen Mittelweg stellt hier die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) dar: „Die Einführung der Beikost wird für Säuglinge nach dem 6. Lebensmonat empfohlen, frühestens nach dem vollendeten 4. Lebensmonat. Diese Empfehlung gilt auch für allergiegefährdete Säuglinge (7, 9). Ziel der Empfehlung ist es, den Kontakt mit möglicherweise allergiefördernden Lebensmitteln so lange wie möglich hinauszuzögern.“ (nr)
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