Bundesversicherungsamt: Einige Krankenkassen benachteiligen Chronisch Kranke und Alte
28.08.2013
Der Gesetzgeber gibt es vor: Die Krankenkassen müssen alle Versicherten gleichermaßen behandeln. Doch einige Kassen scheinen diese gesetzliche Vorgabe kaum mehr zu beachten, wie ein Bericht des Bundesversicherungsamtes (BVA) belegt. Nicht selten werden chronisch kranke oder ältere Menschen von den gesetzlichen Krankenversicherungen massiv benachteiligt. „Die Politik hat diese Ungleichbehandlung erst ermöglicht“, kritisieren Experten.
Ältere und dauerhaft Kranke werden bei den gesetzlichen Krankenkassen in vielen Fällen diskriminiert. Das ist ein Ergebnis aus dem aktuellen Tätigkeitsbericht des BVA. Bereits bei der Werbung von Mitgliedern werden Versicherten mit einem anzunehmenden hohen Kostenfaktor benachteiligt. In einigen Fällen versuchten gar Krankenkassen, Rentner oder Kranke aus der Kasse mit Tricks zum Verlassen zu überreden. Laut Bericht wurden zahlreiche Kassenmitglieder geradezu heraus gedrängt.
Kassen forderten per Telefon zur Kündigung auf
Nach Angaben der Aufsichtsbehörde wurde sogar versucht, Behinderte und Patienten mit längerfristigen Krankheiten per Telefonanruf aus der Kasse zu drängen. Diese Kassen bekamen eine deutliche Rüge. "Die dargestellte Verfahrensweise verstößt gegen grundlegende Prinzipien des Sozialgesetzbuches und wird der Verantwortung der gesetzlichen Krankenkassen gerade auch bei der medizinischen Versorgung von behinderten und chronisch kranken Menschen nicht gerecht", rügte die Autoren des Berichts.
Deutliche Kritik müssen sich die Kassen auch aufgrund der Anwerbepraktiken gefallen lassen. Denn schon im Vorfeld werden bestimmte Versichertengruppen nach dem System „Risikoselektion“ ausgesiebt. Eigens hierfür haben eine Reihe von Krankenkassen mit den Vertrieben Übereinkünfte abgeschlossen, dass diese vordergründig potentielle Neukunden werden, die über ein gutes bis sehr gutes Einkommen verfügen und zudem durchschnittlich gesund sind. "Oft zahlen die Krankenkassen ihrem Vertrieb keine Prämien für das Werben von einkommensschwachen oder kranken Versicherten oder verlangen Prämien zurück, wenn die Neumitglieder höhere Krankheitskosten verursachen als erwartet", schreibt die Behörde in ihrem Bericht. Es läge damit auf der Hand, dass die betroffenen Krankenkassen gegen das Diskriminierungsverbot und gegen das gesetzlich vorgeschriebene Solidaritätsprinzip verstoßen haben. Dieses schreibt nämlich den Krankenkassen im Gegensatz zu den Privaten Versicherungen vor, alle Mitglieder gleich zu behandeln. Vorerkrankungen, Behinderungen, Alter oder das Geschlecht dürften keine Rolle bei der Aufnahme einer Kassen spielen. Ansonsten würden viele Menschen keine Krankenkasse mehr finden, weil sie als „zu Risikobehaftet“ gelten würden.
Nach Bekanntgabe kritisierte der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr die Ergebnisse. Über einen Sprecher lies Bahr verlautbaren: "Eine Risikoselektion zu Lasten schwer kranker und teurer Versicherter ist unzulässig. Die Krankenkassen müssen das Gesetz einhalten“.
Bundesregierung hat Schuld an dem Desaster
Experten und Verbraucherschützer sehen die Probleme jedoch als Hausgemacht an. Vielmehr trage die Politik Mitschuld an der jetzigen Situation. Der Gesundheitsexperte Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg geht sogar in einem FR-Interview einen Schritt weiter und sagte: "Schuld an der Risikoselektion sind nicht die Kassen". Denn die schwarz-gelbe Bundesregierung habe die Kassen geradezu gezwungen sich in einen Wettbewerb zu begeben. Die Politik wolle unter anderem damit erreichen, dass die Zahl der Kassen minimiert wird. „Durch den Wettbewerb untereinander wird auch mit harten Bandagen gegeneinander gekämpft“, sagte Waltraud Rede, Kassenexpertin. (sb)
Bild: Uta Herbert / pixelio.de
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