Schmerzhafte Genitalverstümmelungen in Kamerun
26.10.2013
In Kamerun ist eine sonst nur selten bekannte Form der Genitalverstümmelung verbreitet. Bei Mädchen soll dort das Wachstum des Busens verzögert werden. Ihnen wird gewaltsam die Brust mit heißen Steinen „gebügelt“.
Opfer erzählt von den Qualen
Im westafrikanischen Kamerun ist eine weitgehend unbekannte, schmerzhafte und sehr folgenschwere Form der Genitalverstümmelung weit verbreitet: das „Brustbügeln“. Wie die heute 31-jährige Raissa Nana berichtet, hatte ihre Mutter mit der extrem schmerzhaften Prozedur begonnen, als sich bei dem Mädchen erste Anzeichen der Pubertät zeigten: „Ich war elf Jahre alt, als meine Mutter begann, meine Brust mit heißen Steinen zu massieren.“ Die Kamerunerin erinnert sich: „Jeden Abend gingen wir in die Küche und Steine wurden in kochendes Wasser geworfen und dann mehrmals auf meine Brust gedrückt.“ Auch heute wird sie noch wütend, wenn sie erzählt: „Es war so heiß, dass ich geschrien habe und meine Tanten mich festhalten mussten.“
Mütter die ihren Töchtern Gewalt antun
Das Schicksal von Raissa Nana teilen auch zahlreiche Mädchen in Ländern wie Togo, Guinea, Nigeria und Tschad. Aber am häufigsten ist diese Form der Gewalt gegen Mädchen in Kamerun. 6.000 von ihnen seien dort vom „Brustbügeln“ betroffen. Der Anthropologe und Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Flavien Ndonko, erklärt, wieso es zu dieser Verstümmelung kommt: „Die Mütter wollen nicht, dass ihre Töchter schon in jungen Jahren sexuell aktiv sind, schwanger werden und dann die Schule verlassen.“ Er meint weiter: „Sie scheinen nicht zu verstehen, wie traumatisch das Brustbügeln ist. Das ist eine sehr schmerzhafte Prozedur.“
Zwölf Prozent der weiblichen Bevölkerung betroffen
Bei der Verstümmelung werden verschiedene Methoden angewandt. So werden dem Mädchen beispielsweise heiße Mahlsteine fest auf die Brüste gedrückt und hin und her bewegt. Oder es werden Pressverbände, zum Beispiel aus heißen Handtüchern, zusammen mit erhitzten Steinen um den Brustkorb gelegt. Mindestens zwölf Prozent der weiblichen Bevölkerung Kameruns sei laut einer neuen Studie der GIZ betroffen. Experten hatten dafür rund 6.000 Mädchen und Frauen im Alter zwischen 10 und 82 Jahren interviewt. Es hieß, dass landesweite Aufklärungskampagnen Wirkung gezeigt hätten und deshalb die Zahlen rückläufig wären. Die GIZ hatte 2006 das Brustbügeln erstmals empirisch untersucht und damals seien noch 24 Prozent aller Mädchen betroffen gewesen.
Sexuelle Gewalt in Kamerun verbreitet
Einer Regierungsstudie aus Kamerun von 2011 zufolge wird ein Viertel aller Mädchen vor dem 16. Lebensjahr schwanger. Noch bis ins Jahr 2009 wurden sie deshalb unmittelbar vom Schulunterricht ausgeschlossen. Mittlerweile dürfen werdende Mütter nun bis kurz vor der Entbindung am Unterricht teilnehmen. Dies hatte das Erziehungsministerium entschieden, um das Brustbügeln unter Kontrolle zu bekommen. Sexuelle Gewalt sei in Kamerun allgemein weit verbreitet. So würden vier Prozent aller Mädchen und Frauen vergewaltigt. Mütter entschuldigen das Brustbügeln daher oft mit dem Hinweis darauf, ihren Töchtern damit den sexuellen Missbrauch zu ersparen. Auch Raissas Mutter Emilienne rechtfertigt ihre Taten: „Die Tradition wird von den Müttern auf die Töchter übertragen, ich selbst habe es auch durchlebt.“
Zehn Prozent aller Brustkrebsfälle wegen Brustbügeln
Die Folgen des Brustbügelns sind für die Opfer schwerwiegend. So seien zehn Prozent aller Fälle von Brustkrebs in Kamerun darauf zurückzuführen. Außerdem sei später normales Stillen kaum noch möglich. „Zudem bekommen die Mädchen Zysten, Infektionen oder asymetrische Brüste, die sie traumatisieren und zu psychologischen Problemen und sexueller Frustration führen können“, so Sarah Ako, die Sprecherin der kamerunischen Hilfsorganisation RENATA. Zusammen mit den zuständigen Behörden des Landes führt die NGO Aufklärungskampagnen gegen die Verstümmelungspraxis durch und setzt sich für die Benutzung von Verhütungsmitteln und Kondomen ein, um so ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Ihr Slogan lautet: „Bügele keine Brüste, sie sind ein Geschenk Gottes.“
Künftige Generationen vor der Gewalt schützen
Die von den Müttern erhoffte Wirkung der flachen Brüste, die sexuelle Enthaltsamkeit, bleibt ohnehin meist aus. Auch Raissa meint: „Mich hat es nicht davor geschützt, mit 16 ein Kind zu erwarten. Ich musste die Schule abbrechen.“ Und weiter: „Dutzende andere Mädchen, die ich kenne, waren auch mit 17 schwanger.“ Viele der Opfer arbeiten heute für RENATA, um dazu beizutragen, künftige Generationen vor dieser Form der Gewalt gegen Frauen zu schützen. „Ich hoffe, dass kein Mädchen jemals solche Schmerzen durchstehen muss“, so Jeanne Bella, die diese Form der Verstümmelung im Alter von zehn Jahren erleiden musste.“Ich würde das meinen Kindern niemals antun und bin heute für RENATA tätig, damit dieses Phänomen endlich ein Ende hat.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.