Offenbar unnötige Transplantation – Patient benötigte keine neue Leber
30.10.2013
Im Herbst 2010 hatte der der frühere Leiter der Transplantationschirurgie des Göttinger Universitätsklinikum einem 57 jährigen Mann aus Osterode eine Spenderleber eingesetzt, obwohl bei dem Betroffenen keinerlei Beschwerden vorlagen. Nun gibt es weitere schwere Vorwürfe gegen den Mediziner. Ein Gutachten des Leiters der Klinik für Transplantationsmedizin in Gent (Belgien), Professor Xavier Rogiers, als auch des Leiters der Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie der Universität Frankfurt, Professor Wolf Bechstein, kommt zu dem Schluss, dass es keine Indikation für eine Lebertransplantation gab. Bei dem Betroffenen kam es nach der Transplantation zu schweren Komplikationen, in Folge derer ein weiterer operativer Eingriff stattfinden musste. Ein Jahr nach der ersten Transplantation verstarb der Patient daraufhin
Patient stand am unteren Ende der Warteliste
Dabei stand der 57- Jährige zum Zeitpunkt der völlig unnötigen Transplantation mit nur acht Punkten sehr weit unten auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Über den sogenannten MELD-Score wird der Schweregrad einer Lebererkrankung angegeben. Die Skala reicht von sechs bis 40 Punkten. Bei einem hohen Wert ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Patient innerhalb der nächsten Monate verstirbt und es besteht akuter Handlungsbedarf. Bei dem Mann aus Osteroder war der Wert so niedrig, dass eine Operation wenn erst später hätte stattfinden müssen. Das ergab auch die Auswertung der Notizen der Transplantationsambulanz. Bei den regelmäßigen Kontrollen wurde jedes Mal die Bemerkung "Beschwerdefrei“ eingetragen. Der belgische Transplantationschirurg Xavier Rogiers hatte vergebens in den Akten nach einer Begründung für den Eingriff gesucht, obwohl ein niedriger MELD-Score eingetragen war und der Patient selbst einen stabilen Gesundheitszustand zeigte. Fündig wurde er nicht
Kein Grund für eine Transplantation
"Nach Aktenlage lag kein Grund für eine Transplantation vor.“ Auffällig sei allerdings, dass die Krankenakten sehr schlecht dokumentiert gewesen seien. Hätte eine belgische Klinik die Befunde so niedergeschrieben, wäre sie bei den Audits klar durchgefallen entgegnete der Sachverständige. Ohne Transplantation hätte der Patient, der an einer alkoholbedingten Leberzirrhose litt, eindeutig bessere Überlebenschancen gehabt. Seit Längerem hatte der 57-Jährige bereits keinen Alkohol mehr getrunken und bei Abstinenz kann sich eine Leberzirrhose sogar so weit verbessern, dass eine Transplantation nicht mehr nötig gewesen wäre. Den Platz auf der Warteliste hätte dann ein anderer einnehmen können
Viele merkwürdige Vorgänge
Für den Frankfurter Medizinprofessos Wolf Otto Bechstein, der selbst über 300 Lebertransplantationen vorgenommen hat, lag weder ein Grund für die Aufnahme des Patienten auf die Warteliste noch eine Indikation für eine entsprechende Transplantation vor. "Bei einer stabilen Leberzirrhose ohne lebensbedrohliche Komplikationen ist eine Lebertransplantation nicht indiziert." Dabei verwies Bechstein auf Studien aus den USA. Bei einem so niedrigen MELD-Score ist das Risiko, in Folge einer Transplantation zu versterben, 3,6-mal höher, als wenn der Patient auf der Warteliste bleiben würde.
Bechstein wies außerdem auf einige Merkwürdigkeiten hin. Den Akten lasse sich außerdem nicht entnehmen, wieso der Patient .überhaupt auf der Warteliste landete. Laut dem Überweisungsschein sollten die Mediziner am Göttinger Uni-Klinikum lediglich überprüfen, ob eine Stent-Behandlung sinnvoll sein könnte. Stattdessen wurde der 57-Jährige jedoch als Kandidat für eine Lebertransplantation evaluiert. Merkwürdig ist, dass bei den erforderlichen Untersuchungen vermerkt wurde, dass der Patient Oberbauchbeschwerden gehabt habe.In den Notizen, die bei seiner Aufnahme in dem Klinikum gemacht worden waren, stand indes "Beschwerdefrei". Was nun letztendlich zu dieser fehlerhaften OP geführt hat, muss im weiteren Prozess geklärt werden. (fr)
Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de
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