Operationen oft unnötig. Meinung eines zweiten Arztes ist sinnvoll
23.12.2013
Rückenleiden stehen ganz oben auf der Liste der deutschen Volkskrankheiten. Etwa ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland leidet häufiger an Rückenschmerzen und 26,5 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage in 2012 waren aufgrund von Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems registriert worden. Das ergab eine Studie des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK).
Viele Mediziner raten den Patienten zu einer Operation, um das Leiden endgültig zu kurieren und erklären den Eingriff als einzige Alternative. Doch nicht nur operative Eingriffe am Rücken haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Auch Hüft-OPs, Knie-OPs und Kaiserschnitte wurden vermehrt bei den Krankenkassen abgerechnet. In 2011 wurden in Deutschland knapp 15,4 Millionen chirurgische Eingriffe durchgeführt und gemessen an der Bevölkerungszahl steht Deutschland damit weltweit an der Spitze, so das Ergebnis einer Anfrage der Linksfraktion an das Bundesgesundheitsministeriums. Experten halten viele Op´s für überflüssig und sehnen hauptsächlich das Preissystem der Krankenhäuser als Grund für den Anstieg. Laut dem Gesundheitsministerium werden in keinem Land Europas so viele Hüftoperationen durchgeführt, wie in Deutschland.
Op´s nicht immer medizinisch notwendig
Die Zahl der Wirbelsäulen Op´s hat sich zwischen 2005 – 2011von 326.962 auf 734.644 Eingriffe sogar mehr als verdoppelt. Gegen über dem „Focus“ erklärte BKK-Chef Achim Kolanoski: „Bei Wirbelsäulenoperationen können wir nachweisen, dass sogar 80 Prozent vermeidbar sind“. Oft empfiehlt es sich lieber eine zweite Meinung bei einem weiteren Arzt einzuholen, denn in 67 Prozent der Fälle hätte auch eine alternative Behandlungsmöglichkeit angewandt werden können.
Der gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), hat keine Zweifel daran, das in Deutschland mehr operiert als in anderen europäischen Ländern. Weitere Studien sollen nun klären "ob bei uns zu viel operiert wird und warum". Patienten müssen darauf verlassen können, dass nur aus medizinischen Gründen operiert wird und nicht aus Profitgier einiger Mediziner und Krankenhäusern. Für die Linke ist diese Entwicklung auf das Fallpauschalensystem bei der Abrechnung zurückzuführen. Dazu kommt, dass die meisten Krankenhäuser finanziell schlecht dar stehen. "Da werden sinnlose Anreize zum Schneiden gesetzt, während die Mittel bei Heilung und Prävention fehlen. Die Fallpauschale muss fallen", so der Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst. Auch BKK-Chef Franz Knieps sieht hinter dieser Zahlen finanzielle Anreize, die ausschlaggebend für diese Fehlentwicklungen sind. Die Vergütungspauschalen der Krankenkassen sind zu lukrativ für die Kliniken und Rücken-Operationen seine deshalb ein gutes Geschäft.
Nur fünf Prozent der chirurgische Eingriffe helfen wirklich
Zahlreiche Untersuchungen ergaben, dass höchstens fünf Prozent der schweren Rückenerkrankungen durch chirurgische Eingriffe hätten gelindert werden können. Darauf verweist der Facharzt Ulf Marnitz vom Berliner Rückenzentrum Markgrafenpark. Er bezieht sich auf Untersuchungen, denen zufolge ein Jahr nach Eintritt eines Bandscheibenvorfalls der Gesundheitszustand von operierten und nicht operierten Patienten identisch war. Patienten sollten sich auf jeden Fall eine zweite Meinung einholen. Jeder operative Eingriff birgt immer Risiken, die nur auf sich genommen werden sollten, wenn keine Alternativen mehr zu Verfügung stehen und alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden (fr)
Bild: Lothar Wandtner / pixelio.de
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