Wirksamkeit von Scheinmedikamenten höher, wenn Patienten informiert sind
09.01.2014
Medikamente, die keinen arzneilich wirksamen Inhaltsstoff enthalten – so genannte „Placebos“ – können bei einigen Krankheitsbildern wie Migräne oder dem Reizdarmsyndrom offenbar tatsächlich wirken. Die Wirksamkeit erhöht sich jedoch deutlich, wenn die Patienten darüber informiert sind, dass sie lediglich „Scheinarzneimittel“ erhalten. Zu diesem Ergebnis sind nun Wissenschaftler der medizinischen Fakultät der Harvard-Universität in Boston gekommen. Demnach könne neben dem Glauben an die Wirksamkeit auch der Vorgang der Einnahme des „Medikaments“ selbst die Genesung des Patienten begünstigen.
Placebos können Beschwerden bei Migräne lindern
Medikamente ohne wirksamen Arzneistoff? Was sich merkwürdig anhört, scheint sich in manchen Fällen jedoch tatsächlich positiv auf die Genesung von Patienten auszuwirken. Wie Wissenschaftler der medizinischen Fakultät der Harvard-Universität in Boston nun herausgefunden haben, können die so genannten „Placebos“ (lateinisch: „ich werde gefallen“) beispielsweise bei Migräne offenbar Beschwerden lindern – vorausgesetzt, die Betroffenen wissen Bescheid, dass sie ein „Scheinmedikament“ bekommen.
US-Forscher behandeln 66 Personen in 459 Migräne-Anfällen
Für ihre Studie hatten das Forscherteam um die Neurologin Dr. Slavenka Kam-Hansen 66 Personen, die an Migräne leiden, bei insgesamt 459 Migräne-Anfällen behandelt. Dabei erhielten die Patienten nach einem ersten Anfall ohne Behandlung, welcher der Kontrolle diente, bei sechs weiteren Migräne-Attacken entweder ein Placebo oder das Migränemitel „Maxalt“ mit 10 mg des Arzneistoffs „Rizatriptan“. Bei der Verabreichung wurden die Patienten auf unterschiedliche Weise über das jeweilige Mittel informiert – entweder wussten sie Bescheid, dass sie ein Placebo oder ein „echtes“ Medikament bekommen hatten oder aber sie blieben im Unklaren.
Positiver Effekt auch, wenn Patienten informiert waren
Wie zu Erwarten, zeigten die Placebos bei den Patienten, die davon ausgegangen waren, dass sie ein „echtes“ Medikament eingenommen hatten, tatsächlich. Doch auch bei denjenigen, die sich bewusst darüber waren, ein Placebo bekommen zu haben, zeigte sich ein positiver Effekt: „Die Wirksamkeit des offen markierten Placebos war stärker, als wenn gar keine Behandlung stattgefunden hatte. Im Vergleich zu keiner Behandlung, machte das Placebo – unabhängig davon, inwiefern Patienten informiert worden waren – mehr als 50% des medizinischen Effekts aus. Dieser positive Effekt bleib auch bestehen, wenn die Patienten ehrlich über das Placebo informiert worden waren“, so die Wissenschaftler im Abstract zu ihrer Studie im Fachmagazin "Science Translational Medicine".
„Ritual der Pillen-Einnahme wichtiger Bestandteil der Behandlung“
Für die Forscher stützen die Ergebnisse damit die These, dass offenbar nicht nur der Glaube an die Wirksamkeit eines Medikaments die Beschwerden von Migräne-Patienten lindern könne: „Unabhängig davon, ob bei der Therapie Medikamente oder Placebos eingesetzt werden, sind die Informationen für die Patienten und das Ritual der Pillen-Einnahme wichtige Bestandteile der Behandlung“, so die Forscher weiter.
Placebos auch bei Reizdarm wirksam
Auch beim so genannten „Reizdarmsyndrom“ hatten Studien von Wissenschaftlern aus den USA in den vergangenen Jahren bereits gezeigt, dass eine offen kommunizierte Gabe von Placebos einen positiven Effekt haben könne. Für die Leiterin der Schmerzambulanz der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen, Ulrike Bingel, könne dies möglicherweise auf die gelernte Erfahrung zurückzuführen sein, dass Medikamente normalerweise helfen. Daher würde schon durch die Einnahme an sich ein positives Gefühl entstehen, denn diese sei ein „gelernter, unwillkürlicher, reflektorischer Vorgang ", so Ulrike Bingel. (nr)
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