Häusliche Gewalt gegen Männer wird häufig tabuisiert
29.01.2014
Männer sind fast genauso häufig von häuslicher Gewalt betroffen wie Frauen. Das ergab eine Untersuchung im Rahmen der aktuellen Gesundheitsstudie des Robert-Koch-Instituts (RKI). Männliche Gewaltopfer nehmen jedoch seltener Hilfeangebote in Anspruch und verschweigen ihr Leid aus Scham. Experten raten Betroffenen dennoch, in einer Selbsthilfegruppe, mit einem Psychotherapeuten oder in einer Beratungsstellen über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen.
Häusliche Gewalt gegen Männer wird häufig von Opfern verheimlicht
Häusliche Gewalt gegen Männer gehört noch immer zu den gesellschaftlichen Tabuthemen. Dabei empfinden Männer meist eine deutlich größere seelische Belastung durch Gewaltopfererfahrungen als Frauen, wie eine Untersuchung des RKI ergab. „Dies kann als Hinweis auf eine fehlende sozial akzeptierte Opferrolle für Männer interpretiert werden", schreiben die Experten vom RKI. „Das Thema häusliche Gewalt ist insgesamt hoch tabuisiert. Und bei Männern kommen noch höhere Schamgefühle hinzu, da es nicht der männlichen Rolle entspricht, geschlagen zu werden", erläutert die Psychotherapeutin Christa Roth-Sackenheim gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Dabei sind der Auswertung des RKI zufolge fast genauso viele Männer von häuslicher Gewalt betroffen wie Frauen, die vor allem Täterinnen von psychischer und körperlicher Gewalt im häuslichen Bereich wie in der Partnerschaft oder der Familie sind. Männer werden dagegen häufiger am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum zu Gewalttätern.
Männer empfinden als Opfer von häuslicher Gewalt oft große Scham
Klaus P. aus Hannover schwieg lange bevor er sich mit seinen Problemen an einen Psychotherapeuten wandte. Acht Jahre lang erlebte er immer wieder Gewalt in seiner Partnerschaft. „Anfangs dachte ich, dass meine Frau einfach nur gestresst ist. Wenn ich alle dafür tue, dass sie sich entspannt, werden die Gewaltattacken schon wieder aufhören“, glaubte Klaus P. Doch es kam anderes. Immer wieder wurde der 48-Jährige von seiner Frau geschlagen, mit Gegenständen beworfen oder mit Tritten malträtiert. Ein blaues Auge, eine angebrochene Rippe, Schnittverletzungen an den Armen und im Gesicht – das waren nur einige Verletzungen, die Klaus P. über sich ergehen ließ. „An einem Sonntag kam es wieder zum Streit. Plötzlich nahm meine Frau ein Messer aus der Küchenschublade und wollte es mir in den Bauch rammen. Ich konnte ihr das Messer gerade noch aus der Hand schlagen, wobei ich am Arm verletzt wurde“, berichtet der 48-Jährige. „Als ich dann im Krankenhaus gefragt wurde, wie es zu der Verletzung gekommen ist, brach es aus mir heraus und ich entschied mich, dass es so nicht weitergehen kann.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits von Familie und Freunden zurückgezogen. „Rückblickend betrachtet habe ich über Jahre hinweg ein sehr einsames und trauriges Leben geführt. Ich dachte, mich kann niemand verstehen. Wer lässt sich schon von seiner Frau verprügeln? Ich habe in dieser Zeit immer wieder an Selbstmord gedacht“, erzählt Klaus P. Der 48-Jährige entschied sich schließlich zu einer Psychotherapie, die – wie er sagt – sein Leben gerettet habe. Er aus zog der gemeinsamen Wohnung aus und trennte sich von seiner Frau.
Psychotherapeuten, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen unterstützen Opfer von häuslicher Gewalt
Neben Psychotherapeuten gibt es Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, bei denen Männer, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, Hilfe und Unterstützung erfahren. „Betroffene Männer können sich auch bei uns melden", erklärt eine Sprecherin der Opferhilfe Weißer Ring in Mainz gegenüber der Nachrichtenagentur. Unter der Telefonnummer 116006 würden Ansprechpartner vermittelt und sofortige Hilfe eingeleitet. Roth-Sackenheim rät ebenfalls zu professioneller Unterstützung. „Sie sollten sich nicht an ihre Kumpel am Stammtisch wenden, sondern an eine Selbsthilfegruppe oder einen Therapeuten." Eine gewalttätigen Beziehung könne psychisch krank machen. Besonders gefährlich sei es, wenn sich der Betroffene einrede, er müsse sich mit der Situation arrangieren. „Damit organisiert man sein ganzes Leben um die Störung des Partners herum", erläutert Roth-Sackenheim.
Opfer von häuslicher Gewalt sind häufig Männer, die sich besonders fair verhalten wollen und sich deshalb gar nicht oder erst spät wehren. Hinzu kommt, dass viele von ihnen denken, dass sie Schuld am Verhalten der Partnerin sind oder dieses zumindest provoziert haben. „Dieses Phänomen findet man auch bei geschlagenen Frauen", so die Psychotherapeutin. Täterinnen sind dagegen wenig einfühlsam und setzen Gewalt ein, weil sie glauben, sich nicht anders helfen zu können. (ag)
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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