Substitution: Ärzte tragen keine Schuld an Take-Home-Schäden iher Patienten.
29.01.2014
Grundsätzlich dürfen Ärzte bei der Drogen-Substitutionstherapie nur in klar umschriebenen Ausnahmefällen den Patienten Methadon, Polamidon oder eine andere Ersatzdroge mit nach Hause geben. Der Arzt muss seine Entscheidung in solchen Fällen ausreichend begründen. Dabei ist für ihn die Frage, ob die Take-Home-Verordnung den Therapiefortschritt des betreffenden Patienten unterstützt, von zentraler Bedeutung. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn dadurch die Aufnahme bzw. der Erhalt einer Berufstätigkeit positiv beeinflusst wird. Nach den Vorgaben der Bundesärztekammer ist dies nur zulässig, wenn sich der Behandlungsverlauf in jeder Hinsicht stabilisiert hat. Hinzu kommt, dass de Patient eine immer gleichbleibende Dosis seiner Ersatzdroge erhält.
Als Substitutionsmittel dürfen nur Zubereitungen von Levomethadon, Methadon, Buprenorphin oder ein zur Substitution zugelassenes Arzneimittel verordnet werden. In begründeten Ausnahmefällen kann auch Codein oder Dihydrocodein verschrieben werden. Die Bundesregierung hat die rechtlichen Voraussetzungen einer Substitutionsgestützten Behandlung Drogenabhängiger in den §§ 5 und 5a der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) geregelt und nur solche Ärzte, die eine spezifische suchtmedizinische Weiterbildung durchlaufen haben, dürfen Substitutionsmittel verschreiben.
Stirbt ein Patient bei „Take-Home“- Prozedur, so kann der Arzt dafür strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden, urteilte jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Damit wurde ein Urteil des Landgerichts Deggendorf gegen einen Arzt in Bayern, bestätigt. Er hatte von 2006 bis 2011 drogenabhängige Substitutionspatienten behandelt. In der Regel müssen die Patienten das verordnete Substitut unter Aufsicht in der Praxis einnehmen, um Missbrauch vorzubeugen. Bei mindestens vier Patienten schrieb der Arzt aber sogenannte "Take-Home-Verordnungen" für die Ersatzdrogen Methadon beziehungsweise Levomethadon aus.
Patienten, die solch eine Verordnung verschrieben bekommen, können ihre Ersatzdroge selbst in der Apotheke abholen und sie dann eigenständig, ohne ärztliche Kontrolle einnehmen. Im dem Streitfall hatte der Arzt einem seiner Patienten fünf "Take-Home-Verordnungen" hintereinander ausgestellt, ohne während dieser Zeit persönlichen Kontakt zu ihm zu haben. Der Patient starb später an einer Überdosis Methadon. Das Landgericht Deggendorf warf dem Arzt nun vor, er habe es billigend in Kauf genommen, dass der Süchtige und auch andere Patienten das Methadon nicht bestimmungsgemäß einnehmen. Zudem hatte der Arzt den möglichen "Beikonsum" anderer Drogen nicht ausreichend kontrolliert. Darauf hin wurde der Mediziner wegen "unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln" vom Landgericht zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt, was etwa einer Strafe in Höhe eines Jahreseinkommens entspricht.
Dagegen sprach das Landgericht den Arzt vom Vorwurf eines auch fahrlässigen Tötungsdelikts frei. Der Patient habe sich "in Kenntnis des Risikos einer Überdosierung eigenverantwortlich selbst gefährdet", heißt es in dem Urteil. Diese Entscheidungsfindung ist sicherlich eine Gratwanderung, denn es gehört zum ärztlichen Eid, Menschenleben in jeder Hinsicht zu retten. Doch muss man den Patienten eine gewisse Eigenverantwortung abverlangen dürfen, so die Richter. Mit der Substitutionsbehandlung wird immerhin auch das Ziel verfolgt, den Patienten wieder eine Rückkehr ins „normale“ alltägliche Leben zu ermöglichen. (fr)
Bild: Sigrid Rossmann / pixelio.de
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