Geräusche unterdrücken Tinnitus auf neuronaler Ebene
05.02.2014
Tinnitus hat viele Gesichter. Manchmal pfeift, fiept oder klingelt er, manchmal rauscht, brummt oder zischt er im Ohr. Manchmal ist es ein durchgehender Ton, manchmal ein zeitweise auftretender. Allen Formen gemeinsam: Sie lassen Betroffenen kaum einen Moment der Ruhe und Entspannung. Tinnitus gilt bisher als nicht heilbar. Für alle Patienten mit einem tonalen Tinnitus, also einem Ohrgeräusch, das seine Frequenz nicht oder nur unwesentlich ändert, gibt es nun eine neue Therapie. Mithilfe eines speziellen Geräusch-Mixes wird dabei der Tinnitus auf neuronaler Ebene reduziert. In Einzelfällen verstummt er sogar ganz.
Längst gehört chronischer Tinnitus zu den Volkskrankheiten. Schätzungen zufolge leidet jeder vierte Deutsche unter den Geräuschen im Ohr. Forschungen haben gezeigt, das Tinnitus nicht nur im Ohr, sondern auch im Gehirn entsteht. Viele Tausend Nervenzellen im Hörzentrum unseres Gehirns nehmen kleinste Geräusche vom Ohr auf und wandeln sie in Sinneseindrücke um. Nur ihretwegen können wir Geräusche richtig interpretieren und ein vorbeifahrendes Auto von einem Vogelzwitschern unterscheiden. Beim Tinnitus produzieren die Sinnes- oder Nervenzellen eigenständig Töne. Je mehr Zellen daran beteiligt sind, desto lauter und intensiver ist der Tinnitus. Das Fatale dabei: Unbehandelt fixiert sich der Tinnitus auf diese Weise immer mehr.
„Das Wirkprinzip der neuen Mynoise-Therapie beruht darauf, die Nervenzellen, die den Tinnitus übertragen, wieder umzuprogrammieren“, erklärt Dr. Uso Walter, niederglassener HNO-Arzt aus Duisburg und Vorsitzender des HNOnet-NRW. „Dies gelingt durch eine individuell auf die Tinnitusfrequenz abgestimmte Geräuschdatei, bei der die Tinnitustöne ausgeschnitten und die Nachbarfrequenzen verstärkt werden. Das deaktiviert die betroffenen Nervenzellen und der Tinnitus wird im Laufe der Zeit immer leiser.“ Da es sich um einen Lernprozess handelt, ist regelmäßiges Hören der Datei wichtig. „Über Kopfhörer hören Patienten täglich idealerweise zwei Stunden ihr Therapiesignal“, beschreibt Dr. Walter. Ein Vorteil: Die auf einem neutralen Rauschen, basierende Therapie führt schon beim Hören zu einer Unterdrückung des Tinnitus. „Mittelfristig lernt die zentrale Hörverarbeitung dann, den Tinnitus auch ohne das Rauschen zu unterdrücken. Zudem werden Nervenfasern, die den Tinnitus übertragen, entlastet und in der Übertragung des Tinnitus auf benachbarte Zellen gehemmt.“ Weiterer Effekt: Das Beimischen bestimmter Geräusche führt zu einer vegetativen Entspannung im Gehirn, die sich positiv auf die Tinnitus-Verarbeitung und das Allgemeinbefinden auswirkt.
„Grundsätzlich versteht sich die Mynoise-Therapie als Baustein in einem ganzheitlichen Behandlungskonzept. Bestenfalls setzt sich dieses je nach Bedarf aus psychologischen und verhaltenstherapeutischen Aspekten, hörverbessernden Maßnahmen, einem speziellen Hörtraining sowie Entspannungs- und Bewegungstherapie zusammen“, erklärt Dr. Walter. Die Mynoise-Therapie eignet sich nicht bei höhergradiger Schwerhörigkeit. Sie ersetzt aber nicht den Besuch beim HNO-Arzt, der bei jedem länger bestehenden Tinnitus dringend anzuraten ist. (pm)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.