Berufstätige Eltern sind besonders gesund
17.02.2014
Eltern zwischen Mitte 20 und Anfang 40 sind einer Studie zufolge nicht gestresster als gleichaltrige Kinderlose. In diesem Alter, der sogenannten „Rushhour des Lebens“ müssen viele mit der Mehrfachbelastung Karriere, Kinder und Altersvorsorge zurecht kommen. Deshalb sei erfreulicherweise festgestellt worden, dass Eltern dieser Altersgruppe besonders gesund sind.
Eine positive Botschaft
Dem aktuellen Gesundheitsreport der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) zufolge fühlen sich Eltern zwischen Mitte 20 und Anfang 40 nicht gestresster als gleichaltrige Kinderlose. In diesem Alter gilt es für viele Menschen, einen Lebenspartner zu finden, Karriere zu machen, Kinder zu kriegen oder ein Haus zu bauen. Wie Hans Bertram, Soziologe an der Berliner Humboldt-Universität, meint, hätten junge Leute in Deutschland für diesen traditionellen Marathon der ersten Lebenshälfte heute viel weniger Zeit als früher. Bertram spricht in diesem Zusammenhang von der „Rushhour des Lebens“, in der sich zwischen Ende 20 und Anfang 40 weit mehr Entscheidungen fürs ganze Leben ballen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Er sei deshalb positiv von der DAK-Studie überrascht. „Es gibt deutlich weniger überforderte junge Eltern als erwartet“, so Bertram. „Das ist eine positive Botschaft.“
Angst vor Überforderung
Laut dem Gesundheitsreport würden sich Eltern trotz „Rushhour“-Stress nicht schlechter als Kinderlose fühlen. Und obwohl Väter und Mütter wegen der Mehrfachbelastung unter Druck stehen, wirke sich dies nicht bei den Krankschreibungen aus. Die Gruppe im Altern zwischen 25 und 39 Jahren sei sogar besonders gesund. Eltern hätten die gleichen Belastungswerte durch chronischen Stress wie Berufstätige ohne Kinder. „Selbst in Vollzeit arbeitende Mütter haben keine höheren Stresswerte als Mütter in Teilzeit oder nicht erwerbstätige Mütter“, schreibt die DAK. Dies stimme hoffnungsvoll, da die Angst vor Überforderung bei vielen Paaren weiter zum Aufschieben des Kinderwunsches führe. Rund 3.000 Bundesbürger zwischen 25 und 40 Jahren waren im Dezember für die Studie befragt worden.
Niedrigste Geburtenrate in Europa
Wenn man sich die Umstände der heutigen „Generation Praktikum“ mal vor Augen führt, spricht einiges für die Rushhour-These von Bertram. Heutzutage starten viele oft erst mit Ende 20 in einen Beruf mit gutem und geregelten Einkommen. Bis in die 1970er Jahre passierte das in der Regel schon mit Anfang bis Mitte 20. Auch in der deutschen Geburtenstatistik spiegelt sich diese Verschiebung wieder. Bis in die 1970er Jahre (in der DDR bis 1989) bekamen Frauen ihr erstes Kind normalerweise mit Anfang bis Ende 20. Heute sind sie dabei durchschnittlich bereits 29 Jahre alt. Um vor einer Babypause beruflich fest im Sattel zu sitzen, warten Akademikerinnen oft sogar noch länger. Nicht selten ist es dann jedoch zu spät oder es reicht nur noch für ein Kind. Im Ergebnis hat Deutschland die niedrigste Geburtenrate aller 28 EU-Staaten.
Karriere und Kind unter einen Hut bekommen
Beim Thema Baby zeige die repräsentative Umfrage der DAK zunächst einen positiven Trend für Bevölkerungsstatistiker, denn viele kinderlose junge Menschen würden mit Mitte 20 davon ausgehen, dass sie Karriere und Kind unter einen Hut bekommen. Dabei seien Männer optimistischer als Frauen. Annähernd zwei Drittel der Männer glaubten, dass dieser Traum wahr werde, bei ihren Partnerinnen seien es nur etwa die Hälfte. Ein weiteres Viertel junger Frauen sei noch skeptischer und fürchte, diesen Spagat nicht zu schaffen. Daran haben auch Elterngeld oder andere Familienpolitik bislang nichts ändern können. Junge Frauen würden Kinder haben wollen, wagten es aber nicht.
Ab 30 fehlt oft der richtige Partner für ein Baby
Zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich dieser ängstlichen Stimmung kam auch eine große Studie des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung aus dem Jahr 2012. Etwa die Hälfte der befragten Frauen und Männer meinte damals, dass sich bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nichts Positives getan habe. Und fast ein Drittel sah die Lage sogar noch negativer als im Jahr 2009. Der neuen Studie zufolge sei der Hauptgrund, mit Kindern zu warten, anfangs der Wunsch nach beruflichem Fortkommen. Das verschiebe sich ab 30 aber deutlich, denn dann fehle in erster Linie der richtige Partner für ein Baby. Alle Kinderlosen seien sich nämlich einig, dass eine stabile Partnerschaft Voraussetzung für das Elterndasein sei. Mehr als drei Viertel hätten aber angegeben, dass für sie auch ein gutes und sicheres Einkommen zähle.
Westdeutsches 50er-Jahre-Familienmodell
Nach einer Analyse der „Rushhour“- Umfrage fehlt für den DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher vor allem eine elternfreundliche Arbeitswelt, welche beispielsweise Betriebskindergärten, Notfallbetreuung und bessere Karrierechancen für Mütter bietet. Laut der Studie habe rund die Hälfte der Frauen angegeben, dass sie ohne Kind beruflich weiter wären. Bei Männern sei dieses Empfinden nicht so stark vorhanden. Vor allem liege dies daran, dass viele junge Menschen immer noch ein Familienmodell, ähnlich dem westdeutschen der 50er-Jahre lebten. Der Vater arbeitet Vollzeit und die Frau verdient dazu.
Nach der Elternphase ab 40 studieren
„Wir müssen die Karrieremuster so organisieren, dass Kinder sie nicht durchkreuzen“, meint Bertram. So hätten diejenigen, die bereits im Studium Eltern werden, ihren Nachwuchs bei den ersten Karriereschritten bereits im Schulalter und hätten somit weniger Organisationsprobleme. Der Soziologe geht sogar noch einen Schritt weiter und meint, dass es normaler werden müsse, erst nach der Elternphase ab 40 zu studieren. „Dann bleibt auch noch genug Zeit, Karriere zu machen“, so Bertram. (sb)
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