Pseudoallergien: Ernährung kann Juckreiz auslösen
27.02.2014
Viele der Lebensmittel, die wir heutzutage konsumieren kommen aus der Dose, Packung oder Tüte. Tiefkühlpizza, Tütensuppe und Co. sind zwar praktisch, doch längst nicht alle Menschen vertragen die darin enthaltenen Geschmacksverstärker. Durch sie und auch durch Farb- und Konservierungsstoffe können Pseudoallergien mit Juckreiz ausgelöst werden.
Symptome wie bei echter Allergie
Juckende Haut, laufende Nase und geschwollener Rachen: Alles deutet auf eine herkömmliche Allergie hin. Doch oft finden Ärzte keinerlei Hinweise auf eine allergische Reaktion. Ist dem so, dann könnte eine sogenannte Pseudoallergie hinter den Beschwerden stecken. Die Symptome entsprechen dabei denen einer echten Allergie, aber die Beschwerden haben eine ganz andere Ursache. Sie können vor allem durch Farb- und Konservierungsstoffe in Lebensmitteln hervorgerufen werden. Die Suche nach den genauen Auslösern ist für die Betroffenen oft mühsam.
Pseudoallergien sind viel seltener
Der Begriff Pseudoallergie könnte nahelegen, dass der Betroffene sich allergische Symptome nur einbildet. Doch dem ist nicht so. Wie Richard Raedsch vom Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) in Wiesbaden sagte, leiden die Betroffenen oft stark. Auch wenn sich die Beschwerden bei beiden bis ins Detail gleichen, ist anders als bei echten Allergien, das Immunsystem bei Pseudoallergien nicht beteiligt. Pseudoallergien sind in der Praxis sehr viel seltener als echte Allergien. Studien gehen davon aus, dass höchstens einer von hundert Menschen daran leidet. „Wenn ein Patient mit den typischen Symptomen in die Praxis kommt, wird der Arzt deshalb zunächst einmal einen Allergietest machen. Bei den meisten hat man den Auslöser für die Symptome damit gefunden“, so Jörg Kleine-Tebbe von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie. „Erst wenn der Allergietest ohne Befund bleibt, denkt ein Arzt darüber nach, was noch dahinterstecken kann.“ Eine Möglichkeit sei dann die Pseudoallergie.
Patienten erwartet langwierige Diagnostik
Allerdings lässt sich der Verdacht auf eine Pseudoallergie nur schwer überprüfen. Raedsch, der als Chefarzt am St.-Josephs-Hospital in Wiesbaden arbeitet, sagte: „Es gibt keine Blut- oder Hauttests, mit denen man eine Pseudoallergie bestätigen könnte.“ Patienten und Ärzte müssen sich stattdessen auf eine langwierige Diagnostik einstellen. „Als erstes lasse ich mir von einem Patienten ganz genau erzählen, was er zu sich genommen hat. Dann kann man versuchen, einzugrenzen, auf welche Zusatzstoffe ein Patient mit Beschwerden reagiert“, so Raedsch. Danach müssen Patienten oft eine sogenannte Eliminationsdiät machen. „Das heißt, man muss einige Wochen lang alle Inhaltsstoffe, die eine Pseudoallergie auslösen können, komplett vermeiden“, erklärte Christine Behr-Völtzer, Professorin für Ernährungswissenschaft und Diätetik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Vorerst werden dann viele Obstsorten, Fertiggerichte und Süßigkeiten vom Speiseplan gestrichen. Die Ernährungswissenschaftlerin meinte, man sei auf der richtigen Spur, wenn sich die Symptome durch eine solche Diät verbessern. „Im nächsten Schritt muss man herausfinden, gegen welchen Zusatzstoff genau ein Patient mit Symptomen reagiert.“ Dafür werden entweder nach einem genauen Diätplan Lebensmittel mit bestimmten Zusatzstoffen Schritt für Schritt wieder eingeführt oder die Patienten nehmen in der Arztpraxis oder sogar in einer Klinik einzelne Zusatzstoffe in Tablettenform zu sich.
Zahl der möglichen Auslöser ist enorm
Allerdings ist die Zahl der möglichen Auslöser für eine Pseudoallergie enorm. „In Frage kommen etwa Konservierungsstoffe wie Sorbinsäure, Benzoesäure oder Schwefeldioxid“, so Raedsch. „Auch Aromastoffe in Limonade, in Nudelfüllungen oder Fertiggerichten zählen zu den Auslösern. Hinzu kommen künstliche Farbstoffe.“ Auch wenn viele davon mit ihrer E-Nummer auf der Verpackung stehen, so sind einige der Aromastoffe aber auch in natürlichen Lebensmitteln wie Obst enthalten. Raedesch betonte, dass die Vielzahl an möglichen Auslösern die Diagnose so aufwendig mache. Und Behr-Völtzer meinte: „Das Ziel ist in jedem Fall, die Auslöser möglichst eng einzugrenzen.“ Nachdem geklärt wurde, was genau die Probleme verursacht, kann der Betroffene mit Hilfe einer Diätberatung lernen, welche Lebensmittel er trotz seiner Pseudoallergie gefahrlos essen darf. „Am Ende geht es darum, dass sich ein Patient wieder weitgehend normal ernähren kann“, so die Ernährungsexpertin.
Ernährung mit sehr hohem Qualitätsstandard
Die Experten warnen aber trotzdem vor übertriebener Vorsicht in Zusammenhang mit künstlichen Zusatzstoffen im Essen. „Es gibt nur sehr wenige Patienten, die moderne Zusatzstoffe in der Nahrung nicht vertragen“, so Kleine-Tebbe. „Unsere Ernährung hat einen sehr hohen Qualitätsstandard. Trotzdem sind immer mehr Menschen besorgt, durch moderne Ernährung Schaden zu erleiden.“ Heutzutage seien Viele einfach übervorsichtig und witterten bereits hinter jedem Unwohlsein gleich eine Unverträglichkeit. Behr-Völtzer betonte, dass einige Zusatzstoffe auch einen großen Nutzen hätten: „Wir leben heute nun mal so, dass wir unser Essen nur noch selten ganz frisch herstellen. Ohne Konservierungsstoffe würde es durch die lange Lagerung schnell zu schwerwiegenden Erkrankungen nach dem Verzehr kommen.“ Also müssten sich die, die nicht an einer Allergie oder einer Unverträglichkeit gegen solche Inhaltsstoffe leiden, deshalb auch keine Sorgen um ihre Gesundheit machen.
Tricks und Täuschungen bei der Angabe von Lebensmittelzusatzstoffen
Die gängige Praxis der Lebensmittelindustrie bei der Angabe von Zusatzstoffen macht es Betroffenen nicht gerade leichter, denn viele Hersteller bewerben ihre Produkte etwa mit Hinweisen wie „Frei von Konservierungsstoffen“, obwohl diese oft nur gegen andere Inhaltsstoffe ausgetauscht werden. Verbraucherschützer warnen, dass Konsumenten damit in die Irre geführt werden. Etwa auch mit dem Hinweis „Frei von Geschmacksverstärkern“, der nicht wirklich hält, was er verspricht. Denn wie Martin Rücker von der Verbraucherorganisation Foodwatch letztes Jahr gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa erklärte, enthielten Produkte statt der Geschmacksverstärker manchmal Hefeextrakt. „Das ist vor dem Lebensmittelrecht kein Geschmacksverstärker, aber es hat eine geschmacksverstärkende Wirkung.“ „Frei von Konservierungsstoffen“ gehöre auch zu den Hinweisen, die Verbraucher leicht täuschen könnten. So werde Essigsäure bereits seit Jahrtausenden zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet, laut Gesetz müsse sie aber nicht als Konservierungsstoff ausgewiesen werden, erläuterte Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg im vergangenen Jahr. Deshalb sei sie in vielen Produkten enthalten, die den Aufdruck „Frei von Konservierungsstoffen“ trügen. (sb)
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