Frühe medikamentöse Behandlung befreit Neugeborenes von HIV
07.03.2014
Bei der Behandlung von HIV wurden in den vergangenen Jahren einige Fortschritte erzielt. Nun haben Mediziner bereits zum zweiten Mal nachgewiesenermaßen ein neugeborenes Baby von HIV befreit, berichtet die „New York Times“ in einem aktuellen Beitrag. Entscheidend für den Erfolg sei eine möglichst frühzeitig eingeleitete, relativ hochdosierte medikamentöse Behandlung gewesen.
Im vergangenen Jahr hatten US-Wissenschaftler die Fachwelt auf der „Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections“ erstmals mit der erstaunlichen Mitteilung überrascht, dass ein mit HIV geborenes Baby durch die aggressive medikamentöse Behandlung mit antiretroviralen Arzneien nur 30 Stunden nach der Geburt geheilt werden konnte. Doch es blieb eine gewisse Skepsis. Dieses Jahr präsentierte Dr. Audra Deveikis von der Miller-Kinderklinik in Long Beach in Kalifornien auf der gleichen Konferenz erneut einen Fall, bei dem ein neugeborenes Kind durch eine derartige medikamentöse Therapie von HIV befreit werden konnte. Die Wissenschaftler erklärten zudem, es könnte fünf weitere solcher Fälle in Kanada und drei in Südafrika geben.
Hochdosierte Kombinationstherapie befreit Neugeborenes von HIV
Das erste geheilte HIV-infizierte Kind wurde als Mississippi-Baby bekannt, ist mittlerweile über drei Jahre alt und immer noch frei von Viren, berichtet die Virologin Dr. Deborah Persaud , vom Johns-Hopkins- Kinderzentrum in Baltimore gegenüber der „New York Times“. Bei dem zweiten Baby handelt es sich um ein Mädchen, das in der Miller-Kinderklinik in Long Beach geboren wurde und dessen Mutter an AIDS im fortgeschrittenen Stadium leidet. Die psychisch kranke Mutter hatte ihre verschriebenen Arzneien, die einen Schutz des ungeborenen Kindes gewährleisten sollten, nicht eingenommen, weshalb von einem hohen Infektionsrisiko auszugehen war. Bereits vier Stunden nach der Geburt leitete Dr. Audra Deveikis daher eine hochdosierte Behandlung auf Basis der antiretroviralen Mittel AZT, 3TC und Nevirapin ein. Noch bevor die Untersuchung der entnommenen Blutprobe abgeschlossen war, begann die Ärztin mit der medikamentösen Therapie. „Ich hatte von dem Mississippi-Baby gehört und wusste, dass eine frühzeitige Behandlung wichtig ist“, wird Dr. Deveikis von der „New York Times“ zitiert.
Frühzeitig Behandlung entscheidend für den Erfolg
Die Kinderärztin erläuterte weiter, dass sie bei der Anwendung der hochdosierten Kombinationstherapie natürlich Sorgen hatte, „aber die Krankheit der Mutter nicht unter Kontrolle, war und das Risiko der Übertragung gegen die Toxizität der Medikamente abzuwiegen war.“ Der Erfolg gibt der Ärztin Recht. Mittlerweile ist das Mädchen neun Monate alt und frei von HIV. Der Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten, Dr. Anthony S. Fauci, erklärte, dass der gut dokumentierte Fall aus Long Beach zu großen Veränderungen führen könne. Denn hiermit werde der Beweis erbracht, dass eine erfolgreiche Therapie möglich ist, wenn nur früh genug mit der Behandlung begonnen wird. Bislang wurde eine vorbeugende Therapie für Neugeborene mit niedrigere Dosen von zwei Medikamenten durchgeführt, bis eine HIV-Infektion durch eine Blutuntersuchung bestätigt werden konnte. Erst bei einer nachgewiesenen HIV-Infektion erfolgte die hochdosierte Kombinationstherapie, welche den Ausbruch der Erkrankung unterdrücken soll.
Möglicherweise noch schlummernde Viren in Reservoirs
Das kleine Mädchen ist laut Aussage der Ärzte mittlerweile in einer Pflegefamilien untergebracht und bei Bluttests können keine HI-Viren mehr nachgewiesen werden. Allerdings sei es nicht ganz richtig das Baby als „geheilt“ zu bezeichnen, da einerseits noch immer eine medikamentöse Therapie erfolge und anderseits die Viren möglicherweise noch in verborgenen Reservoirs der Zellen schlummern, berichten die Ärzte. Theoretisch wäre es demnach vorstellbar, dass mit dem Absetzen der Arzneien die HI-Viren wieder aktiv werden. Daher sei es „medizinisch unethisch“ die Arzneien jetzt abzusetzen, erläuterte Dr. Deveikis. Allerdings ziehen die Mediziner nach eigenen Angaben einen vorübergehenden Therapiestopp in Betracht, wenn das Baby im Alter von zwei Jahren noch immer virenfrei ist, um zu sehen, was passiert.
Klinische Studien zur frühzeitig HIV-Behandlung geplant
Wie Mediziner planen derzeit eine klinische Studie mit bis zu 60 HIV-infizierten Babys, die innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt eine Kombinationstherapie erhalten sollen. Damit soll der endgültige Beweis für die Wirkung der frühzeitigen, hochdosierten Therapie erbracht werden. Allerdings bietet auch der Falls des Long Beach-Babys bereits relativ überzeugende Beweise, für den Erfolg der Behandlung, erläuterte Dr. Steven Deeks, AIDS-Experte an der University of California in San Francisco gegenüber der „New York Times“ und ergänzte: „Die Therapie praktisch bei der Geburt scheint das Virus abzutöten, bevor es ein dauerhaftes Reservoir bildet.“ Hier bleibe jedoch die Frage offen, ab wann die Behandlung eingestellt beziehungsweise beendet werden kann. (fp)
Bild: Katrin Schindler / pixelio.de
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