Chinesische Medizin beginnt Therapie mit Medikamentenreduktion
30.04.2014
Eine Krankheit kommt selten allein – so zumindest ergeht es oft älteren Menschen. Experten gehen davon aus, das mehr als 60 Prozent der Menschen über 60 an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden. Was mit dem Begriff Multimorbidität noch einigermaßen harmlos umschrieben ist, stellt viele Betroffene oft vor eine unausweichliche Situation: Zum Beispiel führt die Tablette gegen Gelenkschmerzen auf Dauer oft zur Magenübersäuerung und damit zu chronischen Magenschleimhautentzündungen, die wiederum eine Medikamenteneinnahme gegen überschüssige Magensäure erfordert. Ein Teufelskreis entsteht, denn die Medikamente verändern den Verdauungsprozess, der wiederum die Gelenkentzündung beeinflusst. Funktionseinschränkungen und erforderliche Arzneimitteltherapien greifen in fataler Weise ineinander.
Dr. Christian Schmincke, ärztlicher Leiter der auf Chinesische Medizin spezialisierten Klinik am Steigerwald, sieht ein Problem im Denkansatz der Schulmedizin: „Nicht der Patient als ganzer Mensch wird behandelt, sondern einzelne Organe, Gelenke oder die Psyche.“ Dementsprechend verschriebene Medikamente können sich blockieren, gegenseitig schwächen oder verstärken. In ihrer Kombination sind ihre Nebenwirkungen oft gar nicht mehr abschätzbar. Ein Experiment mit Folgen. Der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen geht von über 80.000 Krankenhauseinweisungen pro Jahr aufgrund unerwünschter Medikamentenwirkungen aus. Eine Behandlung nach den ganzheitlichen Grundsätzen der Chinesischen Medizin sieht bei multimorbiden Patienten daher zuerst eine ausführliche Anamnese vor. Durch Gespräche sowie Puls- und Zungendiagnostik erfahren die TCM-Experten wie Erkrankungen zusammenhängen. Sie unterscheiden insbesondere zwischen Symptomen und zugrundeliegenden Krankheitsprozessen. „Im Anschluss führen wir mit den Patienten ausführliche Gespräche, welche Medikamente sofort abgesetzt, welche durch die Behandlung mit chinesischer Arzneitherapie ersetzt und welche lebenswichtig bleiben und möglicherweise geringer dosiert werden können“, verdeutlicht Dr. Schmincke, der wie seine Kollegen eine schulmedizinische Approbation hat.
„Einige Medikamente können wir nicht absetzen – ein Typ1-Diabetiker beispielsweise braucht sein Insulin. Aber gerade von Schmerzmitteln, Psychopharmaka und Immunsupressiva versuchen wir die Patienten zu befreien.“ Wichtigste Säule dabei ist die chinesische Arzneitherapie. Die Rezepturen stellen die Ärzte individuell für jeden Patienten aus Rohsubstanzen wie Wurzeln, Blüten oder Rinden zusammen. Diese Rezeptur wird aufgekocht und in kleinen Schlucken über den Tag verteilt getrunken. Die Wirkung der sogenannten Dekokte überprüfen die Ärzte regelmäßig und passen diese an. Unterstützend greifen sie auf Akupunktur, safte Körpertherapien wie Qi Gong, Tuina-Massagen sowie vegetarische Ernährung zurück. (pm)
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