Rechenschwäche und Lese-Rechtschreib-Störung zeigen sich oft früh
10.05.2014
Millionen Menschen in Deutschland haben mit einer angeborenen Rechenschwäche, der Dyskalkulie oder einer Lese-Rechtschreib-Störung, der Legasthenie, zu kämpfen. Beide Störungen werden oft nicht oder erst spät erkannt. Dies kann womöglich die Zukunft des Kindes verbauen, wenn eine falsche Empfehlung für die weiterführende Schule abgegeben wird.
Wirkliche Probleme werden oft spät erkannt
Oft werden die wirklichen Probleme, die hinter schlechten Leistungen in der Schule oder Angst vor dem Unterricht, stecken, zu spät erkannt. Beispielsweise erst dann, wenn Kinder psychische Probleme entwickeln oder morgens über Bauchschmerzen und Kopfschmerzen klagen. Etwa vier bis fünf Prozent der Schulkinder haben mit einer Lese-Rechtschreib-Störung (Legasthenie) und fünf bis sechs Prozent mit einer Rechenstörung (Dyskalkulie) zu kämpfen. Oft kann dadurch die Zukunft eines Kindes verbaut werden, etwa weil falsche Empfehlungen für die weiterführende Schule abgegeben werden. Wenn Eltern ihre Kinder aber genau beobachten und Rücksprache mit Lehrern halten, können Auffälligkeiten früh entdeckt werden.
Leistungsstörungen treten früh in den ersten Schuljahren auf
Unter Dyskalkulie versteht man eine angeborene Rechenstörung, bei der Betroffene unter anderem mit den Grundrechenarten nicht klar kommen. Zudem fehlt ihnen das grundlegende Verständnis für Mengen, Gewichts- und Maßeinheiten. Normalerweise fallen diese Leistungsstörungen früh in den ersten Schuljahren auf. Kinder nehmen bei der Dyskalkulie zum Rechnen immer ihre Finger zu Hilfe. Zudem können sie sich keine Zahlen merken. „Besonders auffällig wird es, wenn sie den Zehnerraum verlassen und ihre Finger zum Zählen nicht mehr ausreichen“, erklärte Annette Höinghaus, Geschäftsführerin des Bundesverbands für Legasthenie und Dyskalkulie (BVL). Deshalb geht der Mathematik-Unterrichtsstoff bereits in der Grundschulzeit an ihnen vorbei. Eine Nachhilfe, die aus einer bloßen Wiederholung des Unterrichtsstoffes besteht, bringe ihnen nicht viel.
Rechtschreibdefizite bleiben bis ins Erwachsenenalter bestehen
Menschen mit Legasthenie können Buchstaben nicht unterscheiden, fügen diese falsch zusammen oder verdrehen Worte und Silben. „Jedes Wort müssen sie sich immer wieder neu erarbeiten“, so Höinghaus. Die Kinder lesen außerdem sehr stockend und machen viele Rechtschreibfehler. Ihnen können bei Lernen von Lesen und Schreiben Verfahren helfen, welche die Lautunterschiede betonen. Doch auch wenn sich die Lesefertigkeiten im Lauf der Zeit verbessern lassen, blieben die Rechtschreibdefizite bis ins Erwachsenenalter bestehen. Legastheniker können auch gleichzeitig an einer Rechenstörung leiden.
Frühe Diagnose ist wichtig
Legasthenie und Dyskalkulie haben meist nichts mit einer verminderten Intelligenz zu tun. Von etwa acht Millionen Betroffenen in Deutschland geht der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL) aus, der in Erfurt auf seinem Kongress (9. bis 11. Mai) tagt. Es ist wichtig, so schnell wie möglich eine richtige Diagnose zu stellen, um das Kind optimal zu fördern. „Lehrer erkennen die Störung als solche häufig nicht. Sie sagen dann, das Kind hat ADHSoder ist einfach schwächer begabt.“ Idealerweise wenden sich Eltern bei einem Verdacht an einen Kinder- oder Jugendpsychiater oder ein pädiatrisches Zentrum. Mit standardisierten Tests und bildgebenden Verfahren können Fachleute eine Rechenstörung oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche feststellen. Die Diagnose bedeutet für Eltern wie für Kinder oft eine Entlastung.
Richtiges Förderprogramm herauspicken
Für Eltern ist es nicht leicht, die richtige Methode herauszupicken, da es eine Vielzahl von Förderprogrammen gibt und auch „Lerntherapeut“ kein geschützter Begriff ist. Höinghaus empfiehlt Eltern, sich vor Ort bei Verbänden für Legasthenie und Dyskalkulie beraten zu lassen.Gut sei es, wenn das Kind systematisch lernt, Buchstaben und Laute zuzuordnen und Wortstämme kennenlernt. Zudem sollten Eltern dem Lerntherapeuten ihres Kindes auf den Zahn fühlen und klären, wie er den Unterricht aufbaut, ob er einen Lehrplan hat oder ob er ihnen auch Zwischenfortschritte mitteilt. Am wichtigsten sei aber, zu wissen, ob er sich auch regelmäßig mit den Lehrern austauscht, um abzugleichen, was gerade im Unterricht geübt wird.
So gut wie keine finanzielle Unterstützung
Finanzielle Unterstützung erhalten Eltern jedoch „so gut wie keine“, wie die Geschäftsführerin des BVL mitteilte. Zwar werde von der Krankenkasse die Diagnose der Leistungsstörung bezahlt, aber nicht deren Therapie. Auch wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Legasthenie längst als Krankheit in ihrem Katalog listet, weigern sich deutsche Krankenkassen bislang die Lese-Rechtschreib-Schwäche als Krankheit anzuerkennen. Die Übernahme für Therapiekosten werde nur in Ausnahmefällen bewilligt. Zudem übernimmt das Jugendamt in manchen Fällen die Kosten für Förderkurse. Allerdings müssen Eltern dafür nachweisen, dass ihr Kind so beeinträchtigt ist, dass ihm eine seelische Behinderung droht. Normalerweise müssen Eltern jedoch selbst für die Kosten aufkommen. (ad)
Bild: Benjamin Thorn / pixelio.de
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