Mammografie-Skandal um Essener Radiologen – Pfusch oder Intrigen?
16.05.2014
In Essen soll ein Radiologe angeblich ohne die erforderliche Qualifikation über Jahre Brustkrebs-Untersuchungen durchgeführt haben, wodurch den Patientinnen aufgrund verspäteter Diagnosen möglicherweise erheblicher Schaden entstanden ist. Der beschuldigte Mediziner, welcher gleichzeitig Ratsherr der Stadt Essen ist, weist sämtliche Anschuldigungen von sich und sieht hinter den Vorwürfen den Versuch – auch aus finanziellen Gründen – sein Ansehen zu diskreditieren. Denn die Anschuldigungen würden von Personen vorgebracht, die selbst ein Interesse daran hätten, dass lukrative Geschäft der Mammografie zu übernehmen.
Der Essener Radiologe steht seit der Veröffentlichung eines Artikels in der „Süddeutschen Zeitung“, der von fehlenden Zertifikationen für die durchgeführten Biopsien zur Brustkrebs-Diagnose berichtet, enorm unter Druck. Nicht zuletzt weil er als derzeit im Wahlkampf befindlicher Lokalpolitiker besondere öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Als Inhaber des Diagnosezentrums „Diavero“ war Dr. Karlgeorg Krüger in den vergangen Jahren für zahlreiche Brustkrebs-Untersuchungen zuständig, von denen laut Medienberichten einige fehlerhaft gewesen sein könnten.
Radiologe weist die Anschuldigung zurück
Der Mediziner ist nach zunächst anonym gehaltenen Artikeln nun in die Offensive gegangen und erklärte öffentlich gegenüber der Presse, dass seinem Team und ihm selbst sicherlich kleine Fehler unterlaufen sein können, dies im Praxisalltag jedoch unvermeidlich bleibe. „Sie schaffen es nicht, alle Frauen rauszufischen, das schafft keiner“, zitiert die „WAZ“ Dr. Krüger. Manche Karzinome würden innerhalb von Wochen wachsen. Zwar sei „im Nachhinein, in Kenntnis des Krankheitsverlaufs, vielleicht manche Diagnose geringfügig anders (zu) bewerten“, doch das passiere jedem Arzt. Die Anschuldigungen seien daher nicht gerechtfertigt und tatsächlich gehe es hier eher um finanzielle Interessen beziehungsweise um den „Zugang auf den lukrativen Markt der Brustkrebs-Diagnostik.“ Der Radiologe behauptet, dass sein früherer Praxis-Kompagnon, Intrigen gegen ihn schmiede. Nachdem er in heftigem Streit mit dem Mediziner auseinanderging, der heute im Essener Huyssensstift beschäftigt ist, habe dieser gezielt begonnen ihn zu diskreditieren.
Versorgungsauftrag vorübergehend entzogen
Zwar möchte der ehemalige Kompagnon des beschuldigten Radiologen nicht namentlich in der Presse erwähnt werden, doch bestritt er gegenüber der „WAZ“ die Behauptungen von Dr. Krüger und verwies auf die Bewertungen und Verweigerung von Zertifikationen durch die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein und das Referenzzentrum für Mammografie in Münster, welche Krüger in keinem guten Licht stehen lassen. Im Jahr 2010 wurde dem Radiologen erstmals vorübergehend der Versorgungsauftrag für das Mammografie-Screening entzogen. Auffällig ist dabei der zeitlich Zusammenhang mit der Trennung von dem Praxispartner, der angeblich deutlich mehr praktische Erfahrung mit der Biopsie zur Brustkrebs-Diagnose gehabt haben soll. Möglicherweise sah die KV daher die Qualifikation für dieses Verfahren nicht mehr als gegeben. Der Mediziner könnte seinen Kollegen allerdings auch aufgrund der strittigen Trennung bei der KV angeschwärzt haben. Die KV selbst gab zu den Beweggründen für den kurzzeitigen Entzug des Versorgungsauftrages gegenüber der Presse keine Stellungnahme ab.
Ausreichend praktische Erfahrung mit der Biopsie vorhanden?
Der beschuldigte Radiologe behauptet von sich selbst, über ausreichend praktische Erfahrung mit der Biopsie-Methode zu verfügen, da er persönlich um die 1.000 Mal Proben von verdächtigem Brustgewebe entnommen habe. Lediglich den umfangreichen Berichtspflichten und der Bürokratie sei er nicht so genau nachgekommen. Dies sei „den Praktikern unter den Ärzten, die den jeweiligen Fall dann beispielsweise operativ weiterbehandelten, nicht so wichtig“ gewesen, erläuterte Krüger gegenüber der Presse. Infolge der Nachlässigkeit bei dem Berichtswesen hätten ihm Mitarbeiter des Münsteraner Mammografie-Referenzzentrums hieraus allerdings einen Strick gedreht, der jedoch nicht im Zusammenhang mit einer fehlenden Qualifikation zu sehen sei, so Dr. Krüger weiter. Von Seiten des Mammografie-Referenzzentrums gab es hierzu angesichts des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme.
Eidesstattliche Erklärungen belasten den Mediziner schwer
Die Aussagen des Radiologen zu seiner praktischen Erfahrung mir den Biopsien stehen allerdings im Gegensatz zu den Aussagen der eidesstattlichen Erklärung einer ehemaligen Mitarbeiterin, die der „WAZ“ vorliegt. In dieser werde behauptet, dass der Mediziner über einen Zeitraum von drei Jahren, in dem die Mitarbeiterin dies überblicken konnte „nicht eine einzige“ der genannten Biopsien „selbstständig und eigenhändig ausgeführt“habe, berichtet die Zeitung. Die Vorwürfe hätten offenbar so schwer gewogen, dass die KV Nordrhein und das Mammografie-Referenzzentrum dem Radiologen vergangenes Jahr erneut den Versorgungsauftrag entzogen. Die KV erklärte hierzu, dies sei „aus formalen Gründen“ geschehen.
Klage gegen den Entzug des Versorgungsauftrags
Nach Ansicht von Dr. Krüger war der Entzug des Versorgungsauftrages ungerechtfertigt und er klagte daher vor Gericht. Erst Anfang des Jahres wurde ein Verfahren bezüglich des Vorwurfs eines anderen Arztes, der Krüger mehrere Falschdiagnosen nachweisen wollte, eingestellt. In Bezug auf die Entziehung des Versorgungsauftrages konnte sich der Radiologe in erster Instanz jedoch nicht durchsetzen und so finden sich die Kontrahenten demnächst vor dem Landessozialgericht wieder. Damit sein Praxisbetrieb fortgeführt werden konnte, hat der Radiologe zwischenzeitig einen Mediziner mit den erforderlichen Qualifikationen angestellt. Die KV erklärte hierzu, dies bedeute allerdings nicht zwangsweise, dass Dr. Krüger „die Qualifikation zum korrekten Befunden fehlte oder fehlt.“
Finanzielles Interesse an einer Diskreditierung des Arztes?
Den Berichten der „WAZ“ zufolge befindet sich auch die Kassenärztliche Vereinigung in einer schwierigen Situation, da Aussagen der Widersacher des Radiologen ebenfalls mit Vorsicht zu genießen seien. Es habe Bestrebungen anderer gegeben, das Screening zu übernehmen. Ob hier möglicherweise das Huyssensstift gemeint ist, wo Krügers ehemaliger Praxispartner arbeitet und auch die frühere Mitarbeiterin (Unterzeichnerin der eidesstattlichen Erklärung) mittlerweile angestellt sein soll, bleibt offen. Für den Radiologen ist die aktuelle Entwicklung in jedem Fall äußerst prekär . Denn sie wirkt sich nicht nur negativ auf seinen Beruf aus, sondern auch seine ehrenamtliche Tätigkeit für das Essener Bürgerbündnis (EBB) gerät hierdurch in Mitleidenschaft. Im laufenden Wahlkampf für die Wahl am 25. Mai wird der Mediziner vermutlich kaum noch über politische Inhalte diskutieren können, sondern am Wahlkampfstand überwiegend mit den Anschuldigung aus dem (vermeintlichen) Mammografie-Skandal konfrontiert werden. (fp)
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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