Viele neuen Medikamente haben keinen Zusatznutzen
22.05.2014
Fragwürdiger Nutzen neuer Arzneien? Seit Einführung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) müssen sich neue Arzneimittel einer Bewertung unterziehen, „deren Ergebnis Entscheidungsgrundlage dafür bildet, wie viel die gesetzliche Krankenversicherung für ein neues Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff zahlt“, berichtet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Gemeinsam mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) fällt dem G-B nach § 35a im fünften Sozialgesetzbuch die Aufgabe dieser Nutzenbewertung zu.
„Das Verfahren der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln – dies lässt sich nach drei Jahren Praxis sagen – ist etabliert und stabil“, erläuterte der Vorsitzender des G-BA, Josef Hecken, auf einer Fachtagung Ende April. Seit dem Jahr 2011 hat der G-BA nach eigenen Angaben „rund 70 entsprechende Bewertungsverfahren abgeschlossen.“ Die bisherige Bilanz fällt dabei eher ernüchternd aus. Lediglich etwas mehr als ein Fünftel der überprüften Präparate hat einen signifikanten Zusatznutzen, berichtet die Nachrichtenagentur „dpa“ unter Berufung auf eine vorläufige Bilanz des G-BA. Ein Großteil der bewerteten Arzneien brachte nur einen minimalen oder überhaupt keinen Vorteil für die Patienten mit sich.
Nur wenige Präparate mit erheblichem Zusatznutzen
Von den 73 Präparaten, die seit dem Jahr 2011 auf Basis des AMNOG bewertet wurden, hatten laut Angaben des G-BA nur 14 einen erheblichen Zusatznutzen. 27 Präparaten attestierten die Prüfer indes überhaupt keinen Zusatznutzen. Für drei Präparate seien ohne eingehende Bewertung entsprechende Höchstgrenzen zur Abrechnung mit den Krankenkassen festgelegt worden, berichtet die Nachrichtenagentur „dpa“. Zudem hätten die Prüfer bei 23 Medikamenten einen geringen und bei sechs Arzneien einen nicht bestimmbaren Mehrwert festgestellt. Die Nutzenbewertung hat sich damit nach Ansicht des G-BA-Vorsitzenden Josef Hecken bereits bewährt, auch wenn sich „immer wieder Verbesserungspotenzial“ zeige. Sie diene als Filter, um die 40 bis 50 Prozent der Produkte zu identifizieren, welche keinen oder nur einen irrelevanten Zusatznutzen haben, so Hecken. Damit könnten auch die finanziellen Mittel im Gesundheitssystem deutlich effektiver eingesetzt werden.
Kritik der forschenden Pharma-Unternehmen
Von Seiten des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) wird die Nutzenbewertung durch den G-BA jedoch weniger positiv beurteilt. „Bisher nutzt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen seine dominante Machtstellung in allen Verfahrensschritten, um die Erstattungsbeträge innovativer Arzneimittel weit unter den europäischen Durchschnitt zu ziehen“, so die Kritik der vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Die Absicht der Politik, mit dem AMNOG „Innovationen für Patienten durch eine Nutzenbewertung und effiziente Finanzierung zu stärken“, bräuchte „für den Erfolg andere Mitwirkungs- und Entscheidungsstrukturen.“ Hier bleibe bisher „die Innovationen in der Patientenversorgung auf der Strecke“, bemängelte Fischer.
Vertreter der Wissenschaft an der Nutzenbewertung beteiligen
Als Gegengewicht zu den Krankenkassen forderte die vfa-Hauptgeschäftsführerin die Erweiterung des Unterausschusses Arzneimittel des G-BA um Vertreter der Wissenschaft. Diese müssten ihrer Ansicht nach von den Zulassungsbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM; Paul-Ehrlich-Institut, PEI) und aus den medizinischen Fachkreise (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF; betroffene Fachgesellschaften) kommen, „die sich unmittelbar mit der Studienkonzeption und der Versorgung auskennen.“ Der G-BA betonte in seiner Pressemitteilung, dass er für „einen konstruktiv-kritischen Dialog mit allen Beteiligten“ bereitstehe. So sind weitere Anpassungen des Verfahrens im AMNOG durchaus vorstellbar, allerdings bleibt der Grundgedanke der Nutzenbewertung davon unberührt. (fp)
Bild: Andrea Damm / pixelio.de
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