Verbraucher zeigen erhebliche Wissenslücken bei der Medikamenten-Entsorgung
28.05.2014
Arzneimittel müssen korrekt entsorgt werden, um die Anreicherung von Medikamentenrückständen in der Umwelt zu minieren. Doch eine repräsentative Befragung des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) zeigt, dass bei vielen Verbrauchern erhebliche Wissenslücken über den Umgang mit Arzneimitteln bestehen. So seien „auch in Deutschland mehr als 150 verschiedene Wirkstoffe in nahezu allen Gewässern, bis hin zum Grund- und Trinkwasser“, nachzuweisen.
Die meisten Rückstände von Schmerzmitteln, Antibiotika, blutdrucksenkenden Mitteln oder Psychopharmaka stammen laut Angaben des ISOE „aus häuslichen Abwässern – doch viele Verbraucher wissen gar nicht, dass sie die Verursacher sind.“ Die Anreicherung der Arzneimittel in der Umwelt ist laut Aussage der Experten einerseits ein unerwünschter Nebeneffekt beim Gebrauch von Medikamenten, anderseits werde das Problem durch die falsche Entsorgung der Medikamente verstärkt. Den Ergebnissen der aktuellen Befragung zufolge landen insbesondere flüssige Arzneien am Ende oftmals in der Spüle oder Toilette.
Arzneimittelrückstände in Flüssen und Seen
Beim Einsatz von Medikamenten wird der Wirkstoff im Körper in der Regel nicht vollständig abgebaut, so dass Rückstände mit dem Urin ausgeschieden werden. Auch Abbauprodukt gelangen mit dem Urin in das Abwasser, welches in den Kläranlagen jedoch nur begrenzt von den chemischen Verbindungen befreit werden kann. „Mit dem Ablauf aus den Kläranlagen in die Flüsse und Seen finden die Rückstände so wieder zurück in die Umwelt und den Wasserkreislauf“, berichtet das ISOE. In der aktuellen Umfrage sei knapp 50 Prozent der 2.000 Befragten überhaupt nicht bekannt gewesen, „dass allein schon durch die Einnahme von Medikamenten Spurenstoffe in den Wasserkreislauf gelangen“, erläuterte der ISOE-Forscher Konrad Götz.
Arzneimittel nicht über die Toilette oder Spüle entsorgen
Ein erheblicher Anteil der Arzneimittelrückstände in den Gewässern geht laut Aussage der Forscher jedoch nicht auf die Einnahme, sondern auf die inkorrekte Entsorgung zurück. Hier waren die Wissenschaftler nach eigenen Angaben über „die großen Wissenslücken bei der richtigen Entsorgung von flüssigen Medikamentenresten“ besonders erstaunt. 47 Prozent der Deutschen würden diese „falsch, nämlich über die Spüle oder die Toilette,“ entsorgen. Die aktuelle Umfrage bestätigt „damit die Wissenslücke, die wir bei einer ähnlichen Befragung 2007 festgestellt haben“, so der ISOE-Experte Götz weiter. Insgesamt würden „nur 15 Prozent der VerbraucherInnen ihre Medikamente richtig, das heißt – entsprechend der von der Bundesregierung empfohlenen Praxis – über den Restmüll“ entsorgen.
Drohende Umweltschäden durch den Arzneimittel-Eintrag
Gelangen die Wirkstoffe der Arzneimittel „in den Wasserkreislauf, können sie der Tier- und Pflanzenwelt gefährlich werden: Hormonreste der Pillehaben nachweislich zur Verweiblichung männlicher Fische beigetragen“, berichtet das ISOE. Auch seien bei Fischen Nierenschäden durch das schmerzstillende Mittel Diclofenac und Verhaltensänderungen durch Psychopharmaka beobachtet worden. Hier müsse „endlich eine wirksame Informationskampagne zur Entsorgung durchgeführt werden, um mögliche Gefahren für die Umwelt zu verhindern“, forderte Konrad Götz. Eine Medienanalyse des ISOE habe zwar gezeigt, dass der richtige Umgang mit Spurenstoffen häufig thematisiert wird, dies komme aber beim VerbraucherInnen seit Jahren nicht richtig an.
Entsorgung über den Hausmüll empfohlen
Da der Restmüll heute nicht mehr auf Deponien gelagert, sondern verbrannt wird, was eine vollständige Zerstörung der Wirkstoffe gewährleistet, gilt die Entsorgung über den Hausmüll derzeit als umweltfreundlichster Weg. Doch „weil viele Verbraucher das nicht wissen, ist es genaugenommen nur der zweitbeste“, so Götz. Seiner Ansicht nach wäre es am besten zur alten Praxis zurückzukehren. Bis 2009 konnten Medikamente in den Apotheken zurückgegeben werden, so dass eine professionelle Entsorgung sichergestellt war. Zudem sei es aber auch wichtig, „dass sich Ärzte über die Problematik von Medikamentenresten im Wasser und über umweltfreundliche Medikamentenalternativen informieren“, berichtet das ISOE. Die Bereitschaft auf Seiten der Patienten sei gegeben. „Fast 90 Prozent der Befragten wünschen sich von ihrem Arzt – bei gleicher Wirksamkeit – umweltfreundliche Alternativangebote“, berichtet das ISOE.
Die aktuelle repräsentative Befragung zur Medikamenten-Entsorgung erfolgte im Rahmen des Projekts „TransRisk – Charakterisierung, Kommunikation und Minimierung von Risiken durch neue Schadstoffe und Krankheitserreger im Wasserkreislauf“, dass vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des BMBF-Schwerpunktes „Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf“ (RiSKWa) gefördert wird. Die Projektleitung liegt laut Angaben des ISOE bei Professor Thomas Ternes von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. (fp)
Bild: Andrea Damm / pixelio.de
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