Brustkrebs: Interesse an Früherkennungsprogramm sinkt
02.06.2014
Offenbar sinkt das Interesse an Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen. Nicht einmal jede zweite angeschriebene Hamburgerin nahm zuletzt an Mammographie-Screenings teil. Es wird mehr Aufklärung gefordert. Doch die Kritik an Vorsorgeuntersuchungen steigt bundesweit.
Nicht einmal jede zweite Hamburgerin geht zur Vorsorgeuntersuchung
In Hamburg nahmen zuletzt immer weniger Frauen an Mammographie-Screenings teil. Nicht einmal mehr jede zweite angeschriebene Frau zwischen 50 und 69 Jahren ging im vierten Quartal des vergangenen Jahres zur Brustkrebsvorsorge. Dies ergibt sich aus der Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage der Linken-Gesundheitspolitikerin Kersten Artus, wie „Die Welt“ berichtet. Demnach folgten in der Hansestadt von 22.955 Frauen nur 11.215 der Einladung zur für sie kostenlosen Vorsorgeuntersuchung. „Die Teilnehmerzahlen dürften in Wahrheit geringer sein, weil davon auszugehen ist, dass nicht alle Frauen, die Zielgruppe sind, eingeladen werden“, so Artus.
Linken-Politikerin hält Massenuntersuchung für fragwürdig
Das Screening führe deshalb auch nicht zu soliden Zahlen. Die bundesweit durchgeführte Massenuntersuchung ist für die Linken-Politikerin ohnehin längst fragwürdig und dies nicht erst seit dem jüngsten Skandal in Essen. Dort soll ein Radiologe jahrelang Frauen untersucht haben, ohne die nötige Qualifikation dafür gehabt zu haben. „Mammographie-Screening ist ein Abo zum Geldverdienen und die Lobby, die dahinter steht, ist massiv“, meint Artus. „Dagegen stehen ein paar wenige Frauengesundheits-Expertinnen, die tapfer dagegen halten und eine informierte Entscheidungsfindung fordern.“ Allerdings würden diese kaum durchdringen. „Ich persönlich finde die gesamte Inszenierung um Brustkrebs nicht hilfreich“, so Artus. „Wer bringt endlich unabhängige Informationen zu dem Thema raus, so dass diese auch die Frauen erreichen? Wer sorgt für eine psychosoziale Betreuung der Frauen, die wieder einbestellt werden, die Karzinome haben?“ Auch Prof. Marie-Luise Dierks, Leiterin der Patientenuniversität an der Medizinischen Hochschule Hannover äußerte sich vor wenigen Monaten ähnlich: „Wir haben die Verpflichtung, ausgewogen und verständlich über den Nutzen, aber auch die Risiken des Screenings aufzuklären und den Frauen eine gute Entscheidung zu ermöglichen.“
Kritische Stellungnahmen von Fachärztinnen
Die Gesundheitspolitikerin bezieht sich bei ihrer Kritik an dem Screening-Programm auch auf kritische Stellungnahmen des „Arbeitskreises Frauengesundheit“ (AKF), in dem zahlreiche Fachärztinnen bundesweit organisiert sind. Wie es in einer AKF-Erklärung heißt, seien in einer Studie 22 Prozent der mittels Screening diagnostizierten invasiven Mammakarzinome als „Überdiagnose“ bezeichnet worden. „Danach muss eine von 424 Frauen, die am Mammographie-Screening teilnehmen oder eine von fünf Frauen, die eine Krebsdiagnose erhalten, mit einer unnötigen Krebstherapie rechnen. Eine von fünf Krebsdiagnosen durch Mammographie-Screening stellt keine tödliche Bedrohung dar, trotzdem bekommen auch diese Frauen eine hoch invasive medizinische Therapie wie Operation – evtl. mit Verlust der Brust –, Chemotherapie, Strahlentherapie, Hormontherapie etc., weil bisher nicht unterscheidbar ist, welche Frau diese Behandlung wirklich braucht und welche nicht.“ Der AKF fordert, dass Frauen in der entsprechenden Altersgruppe differenziert aufgeklärt werden müssten, statt einseitige Werbung für das Screening zu machen. Unter anderem seien eine verbesserte Informationspolitik und neutrale Informationsmaterialien nötig.
Ärztepräsident stellt Screenings infrage
Erst vor wenigen Tagen hatte auch der Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery die Screenings infrage gestellt. Der „Berliner Zeitung“ sagte er: „Wir müssen Nutzen und Risiko der Vorsorgeuntersuchungen stärker hinterfragen als bisher, zumal oft nur die erreicht werden, die sich ohnehin um ihren Körper kümmern. Und Studien zu Screeningprogrammen zeigen, dass sich die Zahl der Todesfälle statistisch betrachtet nur marginal senken lässt.“ Der Ärztepräsident will Vorsorgeuntersuchungen prüfen lassen. Es sei eine wissenschaftliche Analyse aller Statistiken nötig, die es zu den Vorsorgeuntersuchungen gebe, um das Verhältnis von Nutzen und Risiko besser zu bestimmen.
Gesundheitsbehörde wollte sich nicht äußern
Die Gesundheitsbehörde wollte sich weder zum Streit über die Reihenuntersuchungen, noch zu den zuletzt niedrigen Teilnehmerinnenzahlen in Hamburg äußern. Es hieß, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) für das Programm zuständig sei. Laut „Die Welt“ lehnte deren Hamburger Sprecher eine Stellungnahme allerdings ebenfalls ab. Er meinte, es sei besser, die teilnehmenden Ärzte direkt zu fragen. Der Senat stellte in der Antwort auf die Linken-Anfrage fest: „Der zuständigen Behörde liegen keine Informationen über Beschwerden oder Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Mammographie-Screening-Programm in Hamburg vor.“ Laut Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) wird in Deutschland jährlich bei mehr als 70.000 Frauen ein Brusttumor festgestellt. Etwa 17.000 Frauen sterben jedes Jahr daran. (ad)
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