Biotech-Unternehmen kündigt Durchbruch für neues Medikament gegen Alzheimer an
05.06.2014
Das Wiener Biotech-Unternehmen Affiris berichtete bei seiner gestrigen Pressekonferenz von einem „Durchbruch bei der Alzheimer-Therapie“. Es sei rein zufällig ein Wirkstoff entdeckt worden, der die Gedächtnisleistung von Alzheimer-Patienten für eine gewisse Zeit stabilisieren kann. Der Wirkstoff war ausgerechnet in der Placebo-Gruppe entdeckt worden, die den eigentlich zu testenden Impfstoff gegen die Demenzerkrankung gar nicht erhalten hatte.
Studie sollte eigentlich Wirksamkeit eines Impfstoffs gegen Alzheimer testen
Insgesamt nahmen 332 Alzheimer-Patienten an der verblindeten placebokontrollierten Studie teil. Untersucht werden sollte die Wirksamkeit des Impfwirkstoffs AD02 gegen Alzheimer. „Normalerweise wird Kochsalzlösung als Placebo gegeben, für unsere Studie war das aber nicht möglich", berichtet Walter Schmidt, Mitbegründer und Geschäftsführer von Affiris, gegenüber „derStandard.at“. Denn die Wirklösung sehe trüb aus. Eine klare Flüssigkeit wie Kochsalzlösung hätten die Ärzte beim Spitzen bemerkt. Deshalb erhielt die Placebo-Gruppe die Impflösung ohne den Wirkstoff.
Im Rahmen der Studie sollte getestet werden, ob der Wirkstoff AD02 die Gedächtnisleistung von Alzheimer-Patienten stabilisieren kann. Darüber hinaus sollte ein möglicher Effekt auf den Hippocampus, der über Biomarker festgestellt werden kann, untersucht werden. Beides wird auch als „Disease Modification“ bezeichnet.
Zufallsentdeckung eines Wirkstoffs gegen Alzheimer
Bei der Auswertung ihrer Untersuchung, stießen die Forscher auf überraschende Resultate: Ausgerechnet in der Placebo-Gruppe konnte bei 47 Prozent der Teilnehmer ein negativer Krankheitsverlauf für 18 Monate aufgehalten werden. Diese Studienteilnehmer hatten aber nie den Wirkstoff AD02, sondern lediglich die Impflösung erhalten. Besonders gut schlug diese bei den Patienten an, deren Demenz sich noch im Frühstadium befand. Auch der Biomarker-Test zur Überprüfung der Stabilisierung des Volumens des Hippocampus – bei Alzheimer-Patienten schrumpft diese Hirnregion krankheitsbedingt – lieferte positive Ergebnisse. „Wir haben eine Zeitlang gerätselt, uns aber dann entschieden, dass es sich bei dem Placebo um eine neue Substanz handelt, und sie AD04 genannt", berichtet Schmidt gegenüber der Online-Ausgabe der Zeitung. Was AD04 genau ist und ob in dem Placebo-Mittel ein in vielen Impfungen enthaltenes Adjuvans, ähnlich einem Wirkstoffverstärker, enthalten war, klärte der Affiris-Geschäftsführer nicht auf. „Wir haben vor zwei Wochen die Patente eingereicht, ich kann dazu keine Auskunft geben." Die Placebo-Gruppe habe den in AD02 enthaltenen Peptid-Impfstoff aber definitiv nicht bekommen. AD04 sei ein Immunmodulator, der auf die Immunabwehr wirke, so viel verriet Schmidt.
Weitere Studien zur Bestätigung der Wirksamkeit des neuen Wirkstoffs gegen Alzheimer notwendig
„Von Beginn an waren mehrere Wirkstoff-Kandidaten Teil unseres Alzheimer-Therapie-Entwicklungsprogramms. AD04 zeigt jetzt die überzeugendste therapeutische Wirkung auch im Hinblick auf Parameter, die Verhaltensauffälligkeiten und die Lebensqualität widerspiegeln. Da die aktuellen Ergebnisse so außergewöhnlich positiv und konsistent über die verschiedenen klinischen Endpunkte und den Biomarker Hippocampus-Volumen sind, erwarten wir uns, sie in weiteren klinischen Studien zu bestätigen", wird Prof. Achim Schneeberger, CMO bei Affiris in einer Mitteilung des Pharmaunternehmens zitiert.
Das Pharmaunternehmen ist nun auf der Suche nach finanzkräftigen Partnern. Denn weitere Untersuchungen müssen folgen, in denen die Ergebnisse bestätigt werden und AD04 auch im Test mit Placebos bestehen muss. Zudem muss die Dosierung getestet werden. Bis mit einer sogenannten klinischen Phase-3-Studie, bei der das Mittel einer großen Anzahl von Patienten verabreicht und auf seine Wirksamkeit überprüft wird, begonnen werden kann, wird jedoch noch einige Zeit vergehen.
„Unsere Ergebnisse zeigen ganz klar – mit AD04 ist es zum allerersten Mal gelungen, den Verlauf der Alzheimer-Krankheit im Sinne der Modifikation des Krankheitsverlaufs aufzuhalten", so Schmidt laut Mitteilung des Unternehmens. (ag)
Bild: Andreas Dengs, www.photofreaks.ws / pixelio.de
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