Medizinerin rät Kinderlosen zu genetischer Beratung
30.06.2014
Obwohl sich zahlreiche Paare Kinder wünschen, haben sie dennoch Schwierigkeiten bei der Zeugung. Wenn der Kinderwunsch lange unerfüllt bleibt, suchen viele Betroffene ärztlichen Rat. Mediziner untersuchen dann zwar oft alles mögliche, doch genetische Gründe werden dabei zu wenig beachtet.
Genetische Gründe werden zu wenig beachtet
Nach Expertenmeinung werden genetische Gründe bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch zu wenig beachtet. Wie die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin, Tina Buchholz, laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa sagte, könne besonders bei künstlicher Befruchtung eine genetische Beratung teure und belastende Fehlversuche ersparen und unter bestimmten Umständen die Schwangerschaftschancen erhöhen. In München diskutieren noch bis zum Mittwoch rund 9.000 Experten beim viertägigen Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie (ESHRE) diese und andere Fragen ihres Faches.
„Sich die Zeit nehmen und hinschauen“
Für die genetischen Fragen fordert Buchholz mehr Aufmerksamkeit: „Man muss sich die Zeit nehmen und hinschauen“, denn sonst gehe oft wertvolle Zeit verloren. „Dann werden in drei, vier Zyklen künstliche Befruchtungen versucht – und dann kommt heraus: Da hat einer der Partner eine Translokation.“ Bei dieser Form der Chromosomenveränderung sind Chromosomenabschnitte an eine andere Position innerhalb des Chromosomenbestandes verlagert, wobei viele Menschen gar nicht wissen, dass sie betroffen sind, da es keine sichtbaren Auswirkungen gibt. Doch dies kann eine Schwangerschaft verhindern, zu Abgängen führen oder bei den Kindern Defekte auslösen. Da bei diesen Paaren die Aussicht auf eine erfolgreiche Befruchtung deutlich geringer ist, könnten so weitere Versuche vermieden werden. Hingegen lassen sich andere Ursachen von genetisch bedingter Unfruchtbarkeit unter Umständen schon behandeln.
Stammbaum über drei Generationen
Deshalb müssten spätestens nach wenigen gescheiterten Anläufen bei einer künstlichen Befruchtung auch genetische Ursachen abgeklärt werden, sagte die Medizinerin und Humangenetikerin. „Es muss nicht unbedingt eine aufwendige, teure genetische Diagnostik sein. Aber man muss viel mehr Wert darauf legen, dass man bei all diesen Paaren genetische Beratung macht, mit ausführlichem Stammbaum über drei Generationen“, so Buchholz. Dabei zeige sich in etwa das Verhältnis von erfolgreichen und nicht erfolgreichen Versuchen, Kinder zu bekommen sowie, ob es eine Häufung von Fehl- oder Totgeburten gab.
Gefahr für eine Fehlbildung nicht belegt
In Deutschland gibt es in einschlägigen Zentren jährlich rund 80.000 Befruchtungen in der Petrischale, auf die gut 10.000 Geburten folgten. „Es wird immer wieder hervorgebracht: Nach so einer künstlichen Befruchtung ist die Gefahr für eine Fehlbildung größer“, erläuterte Buchholz. Letztlich sei dies jedoch anhand von Studien nicht belegbar. Das Risiko sei durch die Methode selbst nicht erhöht. Die in Deutschland lange umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) sei nicht immer angebracht, da die Entnahme von Zellen aus dem Embryo, je nach Untersuchungsmethode, wiederum die Gefahr einer Fehlgeburt oder eines Behandlungsmisserfolges erhöhen kann.
Hürden und Kosten für PID sind hoch
Buchholz zufolge ist es seit 2011 unter bestimmten Bedingungen zulässig, dass in der Petrischale gezeugte Embryonen vor der Einpflanzung auf Erbkrankheiten untersucht werden. Jedoch dürfen Paare nur zu der Methode greifen, wenn ihre Erbanlagen eine Tot- oder Fehlgeburt oder schwere Krankheit des Kindes wahrscheinlich machen. Dann sollen der Mutter Embryonen mit Schäden nicht eingepflanzt werden. Allerdings sind die Hürden sowie die Kosten für eine solche PID sehr hoch; unter anderem muss eine Ethikkommission dem Antrag der Frau zustimmen. Laut Buchholz sind die genauen Rahmenbedingungen erst im vergangen Jahr präzise formuliert worden und noch nicht überall in Deutschland umgesetzt.
Gesundheitszustand und Ernährung haben Einfluss
Diejenigen Paare, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt, obwohl keine genetischen Gründe vorliegen, könnte möglicherweise die Beachtung einiger einfacher Regeln helfen. So hatte der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF), Dr. Christian Albring, im vorvergangenen Jahr gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärt, das statistisch betrachtet, Paare mit Kinderwunsch am besten alle drei Tage Sex haben sollten, um eine natürliche Befruchtung zu erreichen. Wenn diese Faustregel nicht helfe, könne auch der Zeitpunkt des Eisprungs ermittelt werden, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen. Zudem hätten zahlreiche Studien gezeigt, dass auch der Gesundheitszustand und das Ernährungsverhalten einen Einfluss haben. Demnach sollten Paare mit unerfülltem Kinderwunsch den eigenen Lebensstil gesünder gestalten, wobei laut Aussage der Experten die Ernährung maßgeblich sei. Auf ungesunde Lebensmittel sollte verzichtet werden, bestehendes Übergewicht oder Adipositas sollten möglichst abgebaut werden und Raucher sollten ihren Tabakkonsum einstellen. (ad)
Bild: Gabi Schoenemann / pixelio.de
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