Zustrom an Selbstmord-Touristen in die Schweiz
21.08.2014
Aktive Sterbehilfe ist ein äußerst umstrittenes Thema. Wie auch in Deutschland ist die Beihilfe zum Selbstmord in den meisten europäischen Staaten verboten. In der Schweiz besteht jedoch keine entsprechend eindeutige gesetzliche Regelung. Daher reisen viele zum „Suizid-Tourismus“ in die Schweizer Kantone, so das Ergebnis einer aktuellen Studie von Wissenschaftlern der Universität Zürich und des Psychiatrie-Zentrums Münsingen. Veröffentlicht wurde die Untersuchung des Forscherteams um Dr. Saskia Gauthier in dem britischen Fachmagazin „Journal of Medical Ethics“.
Die Möglichkeiten zur Sterbehilfe führen laut Angaben der Forscher „zu einem Zustrom von Suizid-Touristen in die Schweiz, vor allem in den Kanton Zürich, für den alleinigen Zweck, dort Selbstmord zu begehen.“ Eine Mehrheit der Suizidwilligen kam aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Mit ihrer aktuellen Studie möchten die Wissenschaftler auch in den Nachbarländern die Diskussion um die aktive Sterbehilfe vorantreiben. „Das einzigartige Phänomen des Selbstmord-Tourismus in der Schweiz kann in der Tat zu Änderungen oder ergänzenden Leitlinien für die bestehenden Regelungen im Ausland führen“, bewerten die Schweizer Forscher ihre Studienergebnisse.
Zunehmender Suizid-Tourismus
In der Schweizer Gerichtsmedizin haben die Experten fast täglich mit Fällen der aktiven Beihilfe zum Selbstmord zu tun, berichten Saskia Gauthier und Kollegen. Um hier das Ausmaß des Suizid-Tourismus zu erfassen, haben die Forscher die Daten des Züricher Instituts für Rechtsmedizin zu den Verstorbenen ohne Wohnsitz in der Schweiz aus den Jahren 2008 bis 2012 analysiert. Insgesamt 611 Fälle aus 31 Ländern auf der ganzen Welt wurden berücksichtigt. Die Wissenschaftler ermittelten Alter, Geschlecht und Land des Wohnsitzes der Selbstmord-Touristen. Auch die beteiligten Organisationen, die aufgenommene Substanz, die zum Tod führte, und alle Krankheiten, die den Grund für die Sterbehilfe bildeten, wurden erfasst. Ihre Ergebnisse verglichen die Forscher mit den Resultaten früherer Untersuchungen und stellten hier zum Beispiel fest, dass die nicht tödliche Leiden beziehungsweise „Nicht-Terminale-Erkrankungen wie neurologische und rheumatischen Erkrankungen unter Selbstmord-Touristen stark zugenommen haben.“
Diskussion um die Sterbehilfe
Die aktuelle Gesetzgebung und politische Debatte in den drei am stärksten betroffenen Staaten (Deutschland, Großbritannien und Frankreich) sollte nach Ansicht der Schweizer Forscher die nun vorgelegten Studienergebnisse berücksichtigen. Von den Suizid-Touristen aus Deutschland wurden den Angaben der Wissenschaftler zufolge die meisten über die Organisation Dignitas vermittelt. Insgesamt habe das Alter der berücksichtigten Verstorbenen zwischen 23 und 97 Jahre gelegen, das Durchschnittsalter lag bei 69 Jahren. Häufigster Grund für den Suizid waren neurologische Erkrankungen, gefolgt von Krebs, rheumatischen Erkrankungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Knapp ein Drittel der Betroffenen habe an mehreren Krankheit gelitten. Insbesondere der wachsenden Anteil der Suizid-Touristen mit nicht tödlichen Erkrankungen wird nach Einschätzung der Forscher Konsequenzen für die Regelungen in den Nachbarländern haben. (fp)
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