Vegane Ernährung ist nicht nur Privatsache
19.09.2014
Vegane Ernährung ist voll im Trend. Dennoch wird sie häufig kontrovers diskutiert. Sie sei gesund und halte fit, sagen die einen, während die anderen von Veganern mit fahler Gesichtsfarbe und Mangelernährung sprechen. Die Bloggerin und Läuferin Karin Schäfer, die sich selbst vegan ernährt, sprach mit "achim-achilles.de" über Vorurteile und die Vorzüge des Veganismus. Das Interview wurde auf „Spiegel-Online“ veröffentlicht.
Vegan zu leben bedeutet, auf alle tierischen Lebensmittel zu verzichten
Als Veganismus wird die vegane Ernährungs- und Lebensweise bezeichnet, die den Verzehr aller tierischen Lebensmittel ausschließt. Veganer verzichten deshalb nicht nur wie Vegetarier auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf Milch, Eier und Honig und alle Produkte, in denen Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs enthalten sind. Ethisch motivierte Veganer lehnen häufig alle Produkte ab, die mit derNutzung von Tieren in Verbindung stehen. Dann sind auch Ledertaschen, Schuhe aus Leder, Kleidung aus Wolle oder Seide, Kosmetik, die tierische Stoffe enthält oder in Tierversuchen getestet wurde, sowie Wein, der mit Lab, einem Produkt aus Kälbermagen, herstellt wurde, tabu. Veganismus ist somit keine reine Ernährungsform, sondern vielmehr eine Lebensweise, die sich dem Schutz und den Rechten von Tieren verschrieben hat.
Karin Schäfer ist überzeugte Veganerin. Auf die Frage des Internetportals, ob sie denn bei dieser Ernährungsform nicht sehr darauf achten müsse, dass sie alle wichtigen Nährstoffe bekomme, antwortet die Hobby-Läuferin: „Ja klar, aber das muss man bei jeder Ernährungsform. Egal, ob man Fleisch isst oder vegan lebt, man kann sich immer gesund oder ungesund ernähren. Es soll auch Veganer geben, die sich fast nur von Kuchen und Fertiggerichten ernähren. Nur weil man sich vegan ernährt, lebt man nicht automatisch gesund.“ Man könne vegan aber sehr gesund leben, das sei das Entscheidende. Sie selbst esse viel Gemüse – speziell grünes Gemüse wie Spinat, Brokkoli und Grünkohl – Obst, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide. Wichtig sei es, sich abwechslungsreich zu ernähren. Deshalb probiere sie auch immer wieder neue Lebensmittel mit verschiedenen Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen. „Bei veganer Ernährung nimmt man kein Vitamin B12 zu sich. Das supplementiere ich, genau wie Vitamin D in den Wintermonaten. Vitamin D produziert der Körper selbst, wenn Sonnenstrahlen auf die Haut fallen. In Deutschland steht die Sonne zwischen Oktober und März aber sehr tief. Selbst wenn man viel draußen ist, produziert der Körper nicht genügend Vitamin D“, berichtet die Bloggerin. Das betreffe aber auch Fleischesser.
Viele Leistungssportler und Ernährungsexperten befürworten ausgewogene vegane Ernährung
Auch unter Spitzensportlern erfreut sich die vegane Ernährungsweise immer größerer Beliebtheit. Entgegen des häufig genannten Vorurteils, Veganer seien blass, schlapp und energielos, scheint der der Verzicht auf tierische Lebensmittel demnach keineswegs mit dem Abbau körperlicher Leistungsfähigkeit einher zu gehen. Auch Schäfer trainiert regelmäßig. Für die Läuferin war zwar immer der ethische Aspekt entscheidend, aber „dass sich meine sportlichen Leistungen verbessert haben, war ein schöner Nebeneffekt“. Wie sie weiter berichtet, habe sie sich im vergangenen Jahr für den Boston-Marathon qualifiziert. „Dafür musste ich eine Zeit unter 3:35 Stunden laufen, was für eine Hobbysportlerin nicht schlecht ist. Vegane Ernährung ist also definitiv keine Mangelernährung, wie viele denken.“
Mittlerweile findet die vegane Ernährungsweise auch unter renommierten Ernährungsexperten wie Professor Johannes Wechsler, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner, Befürworter. Er weist gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ daraufhin, dass nichts gegen eine vegane Ernährung bei einer ausgewogenen Nährstoffzufuhr einzuwenden sei. Dann sei Veganismus auch gesund. Menschen, die sich vegan ernährten, litten beispielsweise seltener an Übergewicht und hätten wegen der fett- und cholesterinarmen Kost ein geringeres Risiko für Zivilisationskrankheiten als Mischköstlker, erläutert Wechsler.
Auch Studie belegen, dass die vegane Lebensweise häufig sehr gesund ist. So erforschten Patricia Dyett von der University of the West Indies, St. Augustine, Trinidad and Tobago und ihre Kollegen die gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen und Einstellungen von Veganern in den USA. Dabei zeigte sich, dass vegan lebende Menschen ein besonders gesundheitsbewusstes Verhalten zeigen. So trieben die meisten Studienteilnehmer regelmäßig Sport, verzichteten auf Nikotin, nahmen wenig Alkohol zu sich und aßen häufig Gemüse, Getreide und Nüsse. Auch litten sie insgesamt weniger an chronischen Krankheiten im Vergleich zur nicht-veganen Kontrollgruppe.
Ernährungsweise hat Auswirkungen auf andere
Dennoch fühlen sich Menschen, die gern Fleisch essen, häufig von Veganen angegriffen, wenn diese aus ethischen und moralischen Gründen auf tierische Produkte verzichten. Schäfer zufolge liegt das daran, dass man die Gewohnheiten desjenigen in Frage stellt. „Die Menschen scheuen sich vor solchen tiefgreifenden Veränderungen und nehmen dann eine Abwehrhaltung ein“, so die überzeugte Veganerin. „Wenn mich jemand fragt, weshalb ich mich vegan ernähre, sage ich doch nur meine Meinung. Das Problem ist: Sobald ich einem Nicht-Veganer erkläre, dass ich mich aus ökologischen und ethischen Gründen vegan ernähre, hat er das Gefühl, ich wolle ihn belehren“, erläutert sie weiter. „Fakt ist aber auch, dass unser Lebensstil Auswirkungen auf andere hat. Wenn ich Fleisch essen will, dann muss dafür ein Tier sterben. Darüber aufzuklären ist aus meiner Sicht wichtiger, als auf persönliche Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen.“
Veganismus ist eine Lebensweise
Vegan zu leben ist viel mehr als eine Ernährungsweise. Es geht auch um den Schutz und die Rechte von Tieren, um Klima- und Umweltschutz. „Wenn ich die vegane Ernährung nur ausprobiere, weil sie mir als Allheilmittel gegen mein Übergewicht oder meine schlechte Haut versprochen wird, könnte ich eine Enttäuschung erleben. Und dann probiere ich eben den nächsten Diät-Trend aus. Wenn die Leute aber die ethischen und ökologischen Auswirkungen ihrer Ernährung hinterfragen und aus diesen Gründen vegan werden, ist das meistens eine dauerhafte Entscheidung“, berichtet Schäfer. „Aber es dauert natürlich ein bisschen, bis man sich an das Leben ohne tierische Produkte gewöhnt hat. Das geht für viele nicht von heute auf morgen, aber das ist auch völlig in Ordnung.“ Man könne ganz allmählich immer mehr vegane Produkte in den eigenen Speiseplan integrieren. „Das funktioniert viel besser als immer nur darüber nachzudenken, welche Lebensmittel man aus dem Speiseplan streicht. Die Einstellung kommt dann von selbst. Ich kenne keinen Veganer, der wieder zu seiner früheren Lebensweise zurück will.“ (ag)
Bild: Jörg Brinckheger / pixelio.de
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