Bieten alte Antibiotika Chancen gegen resistente Keime?
22.10.2014
Wie auf einer Wissenschaftlertagung in Wien bekannt wurde, werden alte Antibiotika, deren Patente aus unterschiedlichen Gründen längst abgelaufen sind wieder wichtig, weil sie dabei helfen, neu aufgetretene resistente Bakterienstämme zu bekämpfen.
"Wir diskutieren, wie wir alte Antibiotika wirksam einsetzen können und wie sie einen Pfeiler der Strategie zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenz darstellen können", sagte die Wiener Expertin Ursula Theuretzbacher. Es gehe darum, neben einer Verlängerung der Einsetzbarkeit moderner Antibiotika auch alte Medikamente hinzuzuziehen. So seien seit der Erfindung der Antibiotika Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Antibiotika gar nicht auf den Markt gekommen, oder wieder aus dem Verkehr gezogen worden. Dominique Monnet vom Europäischen Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) betonte den Wert der alten Substanzen: "Vergessene Antibiotika sind beispielsweise Wirkstoffe wie Temocillin, Fosfomycin, Colistin oder Oxacillin," betonte Dominique Monnet vom Europäischen Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) den Wert der alten Substanzen.
Resistente Keime gefährden Gesundheitssysteme
Wie die European Society of Clincal Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) mitteilte, habe sich die Antibiotikaresistenz zu einer der größten Bedrohungen für die Gesundheitssysteme entwickelt. So gebe es seitens öffentlicher Einrichtungen wie etwa der WHO oder des ECDC dringende Warnungen, vor einem postantibiotischen Zeitalter, falls das Problem der Resistenzen nicht gelöst werde. „Antibiotikaresistenz bedroht die Gesundheitsversorgung, wie wir sie derzeit kennen“, sagt Professor Gunnar Kahlmeter, Kommunikationsverantwortlicher von ESCMID und Altpräsident. „Für viele der spektakulären neuen Techniken und Technologien in den Bereichen Transplantation, Krebstherapie, Intensivmedizin, Neonatologie und Orthopädie besteht die Gefahr, dass sie aufgrund hohen Risikos von Infektionen durch multi-resistente Keime nicht mehr eingesetzt werden können. Hier hat die Menschheit wieder einmal versagt, eine ihrer wertvollsten und stärksten Ressourcen zu erhalten.“
Als Gründe für die Resistenzen nennt die ESCMID in einer aktuellen Pressemitteilung ihrer derzeitig tagenden Konferenz unter anderem die übermäßige Verschreibung von Antibiotika auch für leichte Erkrankungen, den unkontrollierten Zugang zu Antibiotika durch Apotheken und Onlinequellen, die massenhafte Nutzung von Antibiotika in der Tierzucht, mangelhafte Hygiene in Krankenhäusern und das Fehlen effektiver neuer Antibiotika-Generationen. So wurden in den vergangenen Jahren kaum Antibiotika mit neuen Wirkstoffklassen entwickelt wie Johan Mouton von der Universität im niederländischen Nijmegen laut Kronen Zeitung betonte: "Ein Problem liegt darin, dass die meisten Antibiotika einer Klasse jeweils an den gleichen Zielen ansetzen. Es sind ‘Ich auch’- Medikamente." Es gäbe also gar nicht so viele neue Präparate.
Kombination alter und neuer Antibiotika
Deshalb richten die Mediziner sich wieder zunehmend älteren Antibiotika zu, die noch immer wirksam gegen einige resistente Keime sind. „Wir nutzen heute einige ältere „wiederbelebte“ Antibiotika, die in der frühen Penicillin-Ära entwickelt wurden“, sagt Dr Ursula Theuretzbacher, Gründerin des Zentrums für Antiinfektiva (CEFAIA; Englisch: Center of Anti-Infective Agents) in Wien, Vorsitzende des wissenschaftlichen Programmkomitees dieser Konferenz. Diese sollen zwecks Überwindung der Resistenzen mit neuen Präparaten kombiniert werden.
Eine Nutzung dieser alten Präparate ohne entsprechende Studien berge jedoch unkalkulierbare Risiken für die Patienten, wie die ESCMID in ihrer Pressemitteilung betont: „Wir könnten das Leben von Patienten riskieren durch die falsche Nutzung dieser Antibiotika und durch schnelle Resistenzbildung diese Antibiotika auch noch verlieren.“ Und weiter: „Wir brauchen dringend Strategien, um diese älteren Antibiotika „neu zu entwickeln“ auf der Basis moderner Standards und modernen Wissens, um diese neuen Erkenntnisse vom Forschungslabor ans Krankenbett bringen zu können. Diese ESCMID-Konferenz in Wien wird den Wissensaustausch fördern und soll zu diesen neuen Erkenntnissen beitragen.“ Dabei konzentriert sich die Konferenz in Wien auf die folgenden Themenfelder: Therapie-Optimierung, Verlängerung der Nutzung älterer Antibiotika, Empfindlichkeitstestung, regulatorische Aspekte und Verbreitung des neu gewonnenen Wissens. (jp)
Bild: Sebastian Karkus / pixelio.de
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