Genmutationen für Fieberkrämpfe bei Kleinkindern verantwortlich
04.11.2014
Rund zwei bis vier aller Kinder weltweit bekommen in jungen Lebensjahren Fieberkrämpfe. Für Eltern ist es meist ein Schock, wenn sie sehen, wie ihr Nachwuchs plötzlich am ganzen Körper zuckt. Forscher haben nun eine bislang unbekannte Ursache für die häufigste Form epileptischer Anfälle gefunden.
Bislang unbekannte Ursache nachgewiesen
Die häufigste Form epileptischer Anfälle sind Fieberkrämpfe. Rund zwei bis vier Prozent aller Kinder sind weltweit betroffen. In Deutschland sind es rund 100.000 Kinder, die es betrifft. Oft ereignen sie sich im Alter von drei Monaten bis fünf Jahren und können bereits bei leicht erhöhter Temperatur auftreten. Für die Eltern ist es in der Regel ein Schock, wenn sich ihr Kind mit Fieber und Muskelzuckungen quält. Nun ist es einem internationalen Forscherteam um Experten der Universitäten Tübingen, Löwen und Luxemburg gelungen, eine bislang unbekannte Ursache für diese häufigste Form epileptischer Anfälle von Kleinkindern nachzuweisen.
Genmutationen führen zu Fieberkrämpfen
Demnach sind Mutationen im Gen STX1B für die krankhaften Reaktionen auf Fieber verantwortlich, wie die kürzlich im Fachmagazin „Nature Genetics“ erschienene Studie zeigt. Diese Genmutationen führen zu einer gestörten Regulation in der Freisetzung bestimmter Botenstoffe von Nervenzellen. Die Folge sind vermehrte, unwillkürliche elektrische Entladungen im Gehirn und somit epileptische Fieberkrämpfe. Langfristig können die neu entdeckten Genveränderungen zudem schwere Epilepsien und geistige Behinderungen verursachen. Aufgrund ihrer Entdeckungen hoffen die Wissenschaftler nun, neue Therapien entwickeln zu können.
Geschwindigkeit des Fieberanstiegs ist entscheidend
Wie es scheint, ist die Geschwindigkeit des Fieberanstiegs entscheidender als die Höhe der Temperatur. Professor Dr. Holger Lerche, Vorstand am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) der Universität Tübingen und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie des Universitätsklinikums Tübingen, erklärte dazu laut Pressemeldungen: „Dies erklärt, warum Kinder einen Fieberkrampf haben können, noch bevor die Eltern überhaupt merken, dass ihr Kind krank ist.“ Eltern sind natürlich besorgt, wenn ihr Kind zu solchen Fieberanfällen neigt, doch der Seniorautor der Studie, Professor Lerche erklärte: „Bei den meisten der kleinen Patienten hört die Neigung zu den Anfällen bis zum Schulalter auf.“
Genetische Veranlagung spielt eine wichtige Rolle
Wenig bekannt sind bislang die Umstände, die dazu beitragen, dass sich aus einfachen Fieberkrämpfen eine Epilepsie entwickelt. „Die genetische Veranlagung spielt dabei eine wichtige Rolle. Welche Veränderungen des Erbgutes das im Detail sind, war bisher nur unzureichend bekannt“, sagte die Ko-Initiatorin Professor Dr. Yvonne Weber, leitende Oberärztin der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie des Universitätsklinikums Tübingen. Durch Exom-Sequenzierung, eine Untersuchung eines Teilabschnitts des Erbmaterial, weiß man nun Genaueres. Das Exom macht etwa ein Prozent des menschlichen Erbgutes aus.
Ergebnisse in Tierversuchen bestätigt
Zunächst ergab die Analyse des Erbmaterials STX1B-Mutationen in zwei großen Familien, die sowohl unter Fieberkrämpfen als auch unter Epilepsie litten. Außerdem wurden weitere Patienten untersucht, die unter Fieberkrämpfen und schweren Epilepsien litten, wobei man vier weitere Mutationen entdeckte. In die Studie wurden insgesamt 450 Erkrankte einbezogen. Das Forscherteam bestätigte die Ergebnisse in einem Tiermodell mit Zebrafischen. „Wir konnten nachweisen, dass auch in Zebrafischen mit genetisch veränderten STX1B-Genen Anfall-ähnliche Verhaltensmuster und Veränderungen der Hirnströme auftraten, die sich bei Temperaturerhöhung – wie bei Fieber – deutlich verstärkten“, erläuterte Camila Esguerra, die den Tierversuch an der Universität Leuven durchgeführt hat. Dr. Alexander Crawford (Luxemburg), der gemeinsam mit Dr. Esguerra bereits in einer älteren Studie eine Substanz gefunden hat, die schwerste Anfälle bei Zebrafischen verhindern kann, sagte: „Wir hoffen, dass wir in einigen Jahren daraus ein neues Medikament entwickeln können, das die Entwicklung bestimmter Formen schwerer Epilepsien des Kindesalters verhindern kann.“ (ad)
Bild: Alexandra H. / pixelio.de
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