Zehntausende Bundesbürger noch ohne Gesundheitskarte
31.12.2014
Zum Jahreswechsel wird die alte Krankenversicherungskarte endgültig von der neuen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abgelöst. Zehntausenden Patienten, die noch keine neue Karte haben, drohen hohe Arzt- und Medikamentenrechnungen. Ein Bündnis aus über 50 Organisationen lehnt die eGK ab und würde das milliardenschwere Projekt gerne einstampfen.
Zehntausende ohne elektronische Gesundheitskarte
Ab dem 1. Januar 2015 wird die alte Krankenversicherungskarte endgültig von der neuen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abgelöst. Doch nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums besitzen zwei Prozent der gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland noch keine eGK. Allein in Schleswig-Holstein sind das rund 42 000 Versicherte, wie die „Lübecker Nachrichten“ (LN) online berichtet. Ihnen drohen ab Neujahr hohe Arzt- und Medikamentenrechnungen, da diejenigen, die noch mit ihren alten Versichertenkarten beim Arzt vorstellig werden, die Behandlung unter Umständen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Und auch die Zuzahlung für Medikamente fällt ohne Gesundheitskarte weg.
„Stoppt die e-Card“
Die Initiative „Stoppt die e-Card“ schätzt den Anteil der Versicherten ohne die Foto-Karten sogar auf fünf Prozent. Bei „Stoppt die e-Card“ handelt es sich um ein breites Bündnis von über 50 Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern, Patienten- und Ärzteverbänden. Beteiligt sind unter anderem der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der Chaos Computer Club, IPPNW, Freie Ärzteschaft e. V., NAV-Virchowbund und die Deutsche AIDS-Hilfe. Das Bündnis lehnt die eGK ab und fordert, das milliardenschwere Projekt einzustampfen. Die Sprecherin der Aktion, Dr. Silke Lüder, nennt die strikten Regelungen für „eGK-Verweigerer“ eine „Schikane“. Diese bekommen trotz bezahlter Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung eine Privatrechnung und müssen bei Arzneimitteln, Krankengymnastik und Hilfsmitteln zudem in Vorkasse gehen. „Datenschutzkritische Bürger sollen zur Strafe also extra zahlen“, so Lüder. Auch zahlreiche weitere Organisationen und Experten haben in der Vergangenheit Kritik an der eGK geübt. So wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass es außer dem Bild keine nennenswerte Veränderung gab und sich die teure Abschaffung der 1995 eingeführten Krankenversicherungskarte sich wohl kaum rechtfertigen lasse.
Patienten werden auch ohne eGK behandelt
Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH), Marco Dethlefsen erklärte laut den LN: „Alte Versichertenkarten können in den Praxen nicht mehr eingelesen werden“. Doch auch Patienten ohne e-Card würden natürlich behandelt. Allerdings müssten sie binnen zehn Tagen entweder ihre neue Karte oder einen Versichertennachweis ihrer Kasse in der Praxis vorlegen. „Nach dieser Frist kann ein Arzt die Behandlung privat in Rechnung stellen.“ Zwar werde das Geld von den Kassen erstattet, jedoch nur innerhalb des Quartals. Diejenigen Patienten, die bis Ende März weder einen Nachweis noch die e-Card vorgelegt hätten, blieben demnach auf den Kosten sitzen.
In der Apotheke kann es teuer werden
Bei Medikamenten wird es laut LN noch schwieriger. „Statt Kassenrezept darf ohne eGK nur noch ein Privatrezept ausgestellt werden“, so der KVSH-Sprecher. Somit werde in der Apotheke also nicht nur der Patientenanteil, sondern der volle Preis der Arznei fällig. Das kann teuer werden. „Allein ein Antibiotikum kostet zwischen 15 und 100 Euro“, erläuterte Gerd Ehmen, Präsident der Apothekerkammer. Doch auch wenn das Geld bei Nachweis der Versicherung von den Apotheken erstattet werde, befürchtet Ehmen Probleme, da viele Kassen durch Rabattverträge an bestimmte Hersteller gebunden seien. Wenn ein Patient ein Medikament eines bei seiner Krankenkasse nicht gelisteten Herstellers erhält, könnte die Kasse die Zahlung um den Herstellerrabatt kürzen oder auch ganz verweigern. „In den Apotheken werden wir im neuen Jahr wohl häufig mit diesen Problemen konfrontiert werden“, so Ehmen.
Im Norden macht man sich wenig Sorgen
Dabei bereiten weniger die strikten Verweigerer Sorgen, als vielmehr alte Menschen, die aus Überforderung oder Unvermögen noch keine eGK beantragt haben. Allerdings hält man die Probleme bei der AOK Nordwest für überschaubar. „Nahezu alle“ Versicherte hätten mittlerweile eine eGK, wie eine Sprecherin mitteilte. Zudem seien alle übrigen vor Jahreswechsel noch einmal angeschrieben worden. Volker Clasen, Sprecher der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse (TK), beziffert den eGK-Anteil mit „über 97 Prozent“, wobei der Anteil der „Komplettverweigerer“ aber gering sei. (ad)
Bild: Tim Reckmann / pixelio.de
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