Mediziner fordert die Einstellung der Krebsforschung
03.01.2015
„Ich möchte schnell und am besten im Schlaf sterben“, sagt Franziska (22). Die meisten Menschen fürchten sich vor dem Ableben. Wie man sterben will, darüber sollten Menschen nachdenken, sagt der renommierte Mediziner Richard Smith. Auf eine provokante Art und Weise bringt er den Menschen den Tod näher. „Der Krebstod ist der Beste“, sagt Smith. „Krebserkrankungen erlauben sich von den Angehörigen ausreichend zu verabschieden und den Tod vorzubereiten.“
Vorteile der Krebserkrankung
"Man kann das Leben reflektieren, letzte Nachrichten hinterlassen, besondere Plätze zum letzten Mal besuchen, Lieblingsmusik hören und Lieblingsgedichte lesen – und sich, gemäß dem eigenen Glauben – auf das Treffen mit dem Schöpfer vorbereiten oder das ewige Vergessen genießen", sagt Smith. Er ist Professor an der englischen Universität Warwick. Darüber hinaus ist er Chef der Ovations Initiative, die chronische Erkrankungen in armen Ländern bekämpft. Der Mediziner ist Aufsichtsratsvorsitzender von Patients Know Best. Das ist ein soziales Netzwerk, bei dem Patienten ihre Krankenakten verwalten und für Ärzte öffnen können. Zudem ist der Experte Vorstandsmitglied beim Wissenschaftsmagazin "PLoS" und gab bis Ende 2004 das international anerkannte Fachjournal "British Medical Journal" heraus. Es ist also nicht irgendein Arzt, der seine Meinung zu diesem Thema kundtut, sondern ein hoch anerkannter Forscher und Fachmediziner. Für Smith ist es wichtig, „bereit für den Tod zu sein“.
Vier verschiedene Arten des Sterbens
Smith erläutert die vier Arten des Todes, die einen Menschen ereilen. Es gibt zum einen den schnellen und plötzlichen Tod, der ohne Vorwarnung kommt. Dieser passiert zum Beispiel durch einen Unfall oder einen schweren Herzinfarkt, der einen plötzlichen Herztod auslöst. Ein langer und langsamer Tod geschieht hingegen durch Demenz und Alzheimer. Der „Auf- und Ab-Tod“ passiert durch Organversagen und der Tod durch Krebs passiert vorhergesagt.
Der Wissenschaftler unterscheidet die Art des Sterbens auf der Metaebene. "Ich frage meine Zuhörer oft, wie sie sterben möchten", schreibt er. "Und die meisten würden sich für den plötzlichen Tod entscheiden." Für denjenigen, der stirbt mag das gut sein, sagt der Forscher. Allerdings leiden die Angehörigen sehr stark, da sie sich nicht verabschieden konnten und möglicherweise nicht geklärte Beziehungen zurück bleiben. Viele seien nicht „ganz im Reinen“ und das schmerzt. "Wenn Sie plötzlich sterben wollen, dann leben Sie jeden Tag als wäre es Ihr letzter", schreibt er. "Stellen Sie sicher, dass alle wichtigen Beziehungen in guter Form sind, all Ihre Angelegenheiten erledigt und die Anweisungen für Ihre Beerdigung geschrieben und in der obersten Schublade sind – oder, vielleicht noch besser, auf Facebook."
Der Tod nach einer langen Demenz-Erkrankung sei allerdings auch nicht schöner. Nach Meinung des Mediziners sei dieser sogar der Schlimmste, da die Betroffenen langsam ausradiert werden. Das Sterben durch Organversagen sei zudem auch nicht sehr schön. Der Tod des Patienten werde zu stark in die Hände der Ärzte gelegt. Sie müssen entscheiden, wann ein Ableben gerechtfertigt sei. Doch die „meisten Ärzte behandeln zu lange“, so Smith. Denn es sei sehr schwer zu sagen, „wann es tatsächlich vorbei ist“. Daher sei, „der Tod durch Krebs der Beste“. Smith gab zwar zu, dass es „eine romantische Vorstellung“ sei, allerdings sei die Zeit vor dem Ableben für alle Beteiligten sehr wichtig.
Liebe, Morphium und Whisky statt Heilung
Auch in Bezug auf die zu erwartenden Leiden ist Smith sehr pragmatisch. "Liebe, Morphium und Whisky" seien die Mittel der Wahl, um die Schmerzen des Krebstodes zu lindern. Der Mediziner geht sogar noch einen Schritt weiter. Er fordert die Forschungsarbeiten zu Krebserkrankungen zu stoppen. "Bleiben Sie weg von überambitionierten Onkologen, und lassen Sie uns aufhören, Milliarden damit zu verschwenden, Krebs zu versuchen zu heilen – und uns so einem womöglich viel schlimmeren Tod zu überlassen." Das sei in Hinblick auf eine alternde Gesellschaft die beste Option, so Smith.
Viel Kritik von Betroffenen und Angehörigen
Doch diese radikalen und doch nachvollziehbaren Gedanken bleiben nicht ohne Widerspruch. In den sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook werden die Ansätze kontrovers diskutiert. „Was ist mit den krebskranken Kindern? Soll man sie einfach sterben lassen?“, fragt ein User. Andere beschimpfen Smith gar als „Nihilistisch“, „Unmenschlich“ oder auch als „Ignorant“. Auch unter dem eigentlichen Text des Arztes finden sich zahlreiche kritische Kommentare. Manch einer kritisiert „die Leichtigkeit, mit der der Mediziner über die physischen und psychischen Leiden der Patienten hinweg geht. Die Ansätze seien „kaltschnäuzig herzlos“, schreibt ein User, der seinen Bruder durch Krebs verlor.
Noch kritischer schreibt eine andere Userin, die an Knochenkrebs im Endstation leidet. „Wagen Sie es nicht mir vorschreiben, dass eine Heilung von Krebs nicht in meinem Ansinnen sei“. Doch es gibt auch Zuspruch. So schreibt ein Anderer: „Danke für diesen Tabubruch. Wir müssen lernen offener über unsere Vergänglichkeit zu reden“. Das dürfe „auch kontrovers geschehen“. (sb)
Bild: Martina Taylor / pixelio.de
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