Tumorerkrankungen zum Großteil unbeeinflusst durch den Lebenswandel
06.01.2015
Nach der Krebsdiagnose fragen sich die Betroffenen in der Regel zuerst, warum ausgerechnet sie das Schicksal einer Tumorerkrankung getroffen hat. War es der ungesunde Lebenswandel, sind die Gene schuld oder hatten sie einfach nur Pech? Eine aktuelle, in dem Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Studie kommt nun zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Erkrankungen zufälliger Natur sind – weder die Gene, noch der Lebenswandel spielen hier die entscheidende Rolle.
Für die meisten Krebspatienten ist ihre Erkrankung ein harter Schicksalsschlag, oftmals begleitet von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen. Denn nicht zuletzt stellt sich die Frage, inwiefern der eigene Lebenswandel für den Ausbruch der Erkrankung verantwortlich zu machen ist. Zwar galt ein ungesunder Lebensstil bislang bei vielen Krebserkrankungen als maßgeblicher Risikofaktor. Doch eine aktuelle Studie zeigt, dass der Einfluss des Lebenswandels deutlich geringer ist als angenommen. Vielmehr werden die meisten Krebserkrankungen schlichtweg durch biologisches Pech bedingt.
Gemeinsam haben der Krebsexperte Bert Vogelstein und der Bioinformatiker Cristian Tomasetti von der Johns Hopkins University School of Medicine Baltimore (USA) in der Fachzeitschrift „Science“ ein mathematisches Modell vorgestellt, das anhand der Anzahl der Zellen in einem Organ beziehungsweise anhand des Prozentsatz der hier vorzufindenden langlebigen Stammzellen und deren Teilungshäufigkeit die Wahrscheinlichkeit einer Tumorerkrankung bestimmt. Rund zwei Drittel der Krebserkrankungen ließen sich den Angaben der Studienautoren zufolge mit dem Modell erklären.
Biologisches Pech als Erklärung für Krebs
Die Frage nach dem Warum ist bei Krebserkrankungen laut Aussage des Onkologen Professor Vogelstein „durchaus eine vernünftige Frage.“ Es sei davon auszugehen, dass „alle Krebsarten durch eine Kombination aus Pech, Umwelteinflüssen und Vererbung verursacht“ werden. Die US-Forscher schreiben weiter, dass ihr Modell bestimmen könne, welchen Anteil die drei Faktoren an der Entwicklung der verschiedenen Krebserkrankungen haben. „Sie fanden heraus, dass 22 (von 31 untersuchten Krebsarten) weitgehend durch den Pechfaktorzufälliger DNA-Mutationen bei der Zellteilung erklärbar sind“, so die Mitteilung der Johns Hopkins University School of Medicine. Die anderen neun Krebsarten seien stärker durch den Lebenswandel und die Gene geprägt, wobei dies genau jene Krebsarten waren, die man erwarten würde, einschließlich Lungenkrebs, der mit dem Rauchen verbunden ist und Hautkrebs, der mit verstärkter Sonnenexposition verbunden ist, berichtet Professor Vogelstein.
Lebenswandel bei vielen Krebserkrankungen ohne entscheidenden Einfluss
Zwar hat der Lebenswandel bei rund einem Drittel der Krebserkrankungen einen maßgeblichen Einfluss auf deren Entstehung und durch einen gesunden Lebensstil lässt sich das Risiko hier deutlich reduzieren. Doch bei einem Großteil der bösartigen Tumorerkrankungen ist der Einfluss der Umweltfaktoren eher gering. Hier ist der beste Weg zur Minimierung des Gesundheitsrisikos laut Aussage der Forscher die Früherkennung. Mit ihrer Hilfe könne ein Großteil der Tumore in einem so frühen Stadium entdeckt werden, dass noch eine erfolgreiche Behandlung möglich ist, betont Professor Vogelstein. Zwar müssen die Bemühungen zur Reduzierung des Krebsrisikos durch Einhaltung eines gesunden Lebensstils weiterhin fortgesetzt werden, doch den betroffenen Krebspatienten könne es möglicherweise auch helfen, zu wissen, dass ihre Erkrankung kein eigenes Verschulden, sondern biologisches Pech war.
Teilung der Stammzellen von maßgeblicher Bedeutung
Die Anzahl der Stammzellen und deren Teilungsgeschwindigkeit kann sich auch in ähnlichem Gewebe unterscheiden, wie dies beispielsweise beim Dick- und Dünndarm der Fall ist. Beide Organe werden laut Aussage der Forscher annähernd vergleichbaren Umwelteinflüssen beziehungsweise Substanzen ausgesetzt und dennoch ist Dickdarmkrebs deutlich häufiger als Dünndarmkrebs. Dies sei auf die höhere Teilungsgeschwindigkeit der Stammzellen im Dickdarm zurückzuführen, schreiben Vogelstein und Tomasetti. Insgesamt lasse sich feststellen, dass Organe, deren Gewebe viele Stammzellen mit hoher Teilungsrate enthält, besonders häufig von Krebserkrankungen betroffen sind. Es bleibt laut Aussage der Forscher eine wichtige Botschaft, dass Krebs sich oft nicht verhindern lässt, weshalb deutlich mehr Mittel in die Früherkennung und weitere Verbesserungen der Therapie gesteckt werden müssen. (fp)
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