„Depressionsatlas“: Mehr Krankschreibungen wegen Depressionen
31.01.2015
Depressionen sind bei Arbeitnehmern in Deutschland der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen. Dies geht aus dem „Depressionsatlas“ der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, der kürzlich vorgestellt wurde. Lediglich aufgrund von Erkältungskrankheiten entstanden noch mehr Fehltage.
Depression an zweiter Stelle der Krankschreibungen
Die „Volkskrankheit“ Depression wird in Deutschland zunehmend auch zum volkswirtschaftlichen Problem. Sie ist immer häufiger der Grund, aus dem jemand krankgeschrieben wird. Lediglich aufgrund von Erkältungskrankheiten bleiben noch mehr Arbeitnehmer in Deutschland der Arbeit fern. Zu diesem Ergebnis kommt der „Depressionsatlas“ der Techniker Krankenkasse (TK) der kürzlich vorgestellt wurde. Demnach entfielen 7,1 Prozent aller gemeldeten Fehltage auf diese Krankheit. Wie der neue TK-Atlas zeigt, sind aber offenbar nicht alle Berufe gleichermaßen betroffen.
Jeder fünfte Bundesbürger ein Mal im Leben betroffen
Der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zufolge leidet jeder fünfte Bundesbürger ein Mal im Leben an einer Depression. Die Krankheit kann sich in vielfältigen Symptomen äußern. Dazu zählen unter anderem anhaltend gedrückte Stimmung, Antriebsschwäche, Interessenverlust, Angst und Traurigkeit. Hinzu kommen unterschiedliche körperliche Anzeichen wie Schlafstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Atemnot oder ein sogenannter Kloß im Hals. In einigen Fällen sind diese so stark ausgeprägt, dass die typischen psychischen Symptome verdeckt und dadurch in der Praxis leicht übersehen werden. Eine Depression ist leider kein Einzelfall, stattdessen gilt sie mittlerweile als „Volkskrankheit“ und stellt die häufigste psychische Erkrankung überhaupt dar.
Erkrankung schränkt in fundamentaler Weise die Lebenserwartung ein
Depressive Menschen sind dabei normalerweise einem höheren Leidensdruck ausgesetzt als viele andere Patienten, da die Erkrankung in fundamentaler Weise die Lebensqualität einschränkt. Häufig sind Betroffene beispielsweise nicht mehr in der Lage, Freude zu empfinden, stattdessen wird ein unerträglicher Zustand erlebt, was in etwa 15 Prozent der schweren Falle sogar zu einem Suizid führt. Dementsprechend erleben viele Betroffene schon das morgendliche Aufstehen als einen echten Gewaltakt und die Arbeit als einen „Berg“, der nicht zu bewältigen scheint.
„Deutschland ist niedergeschlagen“
In der Folge führen Depressionen immer häufiger zu Krankschreibungen. Dies geht aus dem neuen „Depressionsatlas“ hervor, für welchen die TK die Krankschreibungen ihrer 4,1 Millionen erwerbsfähigen Versicherten ausgewertet hat. Demnach seien die Fehlzeiten aufgrund von Depressionen zwischen dem Jahr 2000 und 2013 um fast 70 Prozent gestiegen. Zugleich habe sich der Anteil der Erwerbspersonen (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und ALG I-Empfänger), die Antidepressiva verschrieben bekamen, im gleichen Zeitraum um ein Drittel auf insgesamt sechs Prozent erhöht, berichtet die TK weiter. „Deutschland ist niedergeschlagen“, schreibt die Krankenkasse in Hinblick auf die Ergebnisse: „Statistisch gesehen war jeder einen Tag aufgrund von Depressionen krankgeschrieben“, so TK-Chef Jens Baas.
Langwierige Erkrankung führt zu vielen Fehltagen
Demnach seien zwar von Depressionen nach wie vor deutlich weniger Arbeitnehmer betroffen als von Erkältungskrankheiten oder Rückenschmerzen (1,6 Prozent der Krankschreibungen) – „die, die es trifft, fallen aber sehr lange aus, im Durchschnitt 64 Tage“, erklärt Baas weiter. „Das heißt, es ist eine sehr langwierige Erkrankung für den Patienten, verbunden mit hohen Ausfallzeiten für die Betriebe. Betrachtet man zudem den großen medizinischen Versorgungsbedarf der Patienten, sind Depressionen also auch ein wirtschaftlicher Faktor.“
Beschäftigte in Callcentern besonders gefährdet
Dies bedeute umgerechnet für ein Unternehmen mit 250 Mitarbeitern, dass durchschnittlich vier ihrer Beschäftigten gut zwei Monate im Jahr fehlen würden, so der Bericht. Käme dazu noch die Einbeziehung des Urlaubsanspruchs, fiele demnach mindestens ein Arbeitsplatz aufgrund von Depressionen aus. Doch nicht jeder Beruf sei hier laut der TK-Studie gleichermaßen betroffen. Stattdessen seien gerade Menschen in Branchen mit hohem Stresslevel und psychischen Belastungen besonders anfällig. Erkranken würden daher oft Menschen, die z.B. im Callcenter (2,8 Tage), in der Altenpflege (2,5), in Erziehungs- (1,6) oder in Sicherheitsberufen (1,4) arbeiten.
Frauen häufiger aufgrund von Depressionen krank geschrieben
Wie Dr. Thomas Grobe vom AQUA (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen) berichtet, sei bei der Auswertung der Daten für die TK zudem ein Unterschied zwischen den Geschlechtern deutlich geworden: „[…] Frauen sind mit durchschnittlich 1,3 Tagen deutlich mehr aufgrund von Depressionen krankgeschrieben als Männer mit durchschnittlich 0,8 Tagen.“ Auch würden die Fehlzeiten mit steigendem Alter deutlich zunehmen – ab dem 60. Lebensjahr seien die Werte jedoch wieder rückläufig, so der Experte weiter. Zudem hatte die TK erstmals auch die Krankschreibungen aufgrund von Depressionen auf lokaler Ebene auswerten lassen. Das Ergebnis: Während es mit durchschnittlich 1,7 Fehltagen pro Kopf die höchsten Fehlzeiten in Merzig-Wadern (Saarland) gab, fanden die Forscher die beste seelische Gesundheit hingegen in Greiz im Vogtland (0,2 depressionsbedingten Fehltage).
Fehlzeiten alleine nur begrenzt aussagekräftig
Doch laut der TK könnte aus den Fehlzeiten jedoch nur bedingt geschlossen werden, wie „belastet“ das Land tatsächlich sei, denn „nicht jeder der eine Depression hat, wird krankgeschrieben", erklärt York Scheller, Psychologe bei der TK. Dementsprechend waren zusätzlich auch die Antidepressiva-Verordnungen ausgewertet worden. Dies hatte gezeigt, dass beispielsweise Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) trotz unterdurchschnittlicher Fehlzeiten (minus 48 Prozent) bei der Verordnung von Antidepressiva 20 Prozent über dem bundesdeutschen Schnitt lag. Stress und psychische Belastungen bei der Arbeit wurden als eine Ursache von Depressionen ausgemacht. Wie es von Seiten der TK hieß, seien nicht Gesetze, sondern Wertschätzung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gesunder Ausgleich die beste Prävention. Es gibt allerdings noch weitere präventive Maßnahmen. So werden etwa von Gesundheitsexperten regelmäßig längere Erholungsphasen, ein besserer Überstundenausgleich und eine stärkere Gesundheitsförderung angemahnt, um dem Dauerstress bei der Arbeit vorzubeugen. Außerdem können Arbeitnehmer verschiedene Methoden zum Stressabbau, wie Yoga oder Autogenes Training anwenden. (nr, ad)
Bild: Bernd Kasper / pixelio.de
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