94-jährige Frau aus Changsha verliert ihre Muttersprache
06.02.2015
Eine 94-jährige Frau hat in einem chinesischen Krankenhaus für eine große Überraschung gesorgt, indem sie nach einem Schlaganfall nicht mehr ihre Muttersprache, sondern nur noch Englisch spricht. Wie der behandelnde Arzt gegenüber der „dpa“ in Peking mitteilte, war bei der ehemaligen Englisch-Lehrerin offenbar das Sprachzentrum beschädigt worden – wobei jedoch möglicherweise die Region für Englisch im Gehirn verschont geblieben sei.
Patienten hatte jahrelang als Englisch-Lehrerin gearbeitet
Kurioser Fall in der ostchinesischen Millionenstadt Changsha: Nach einem Schlaganfall spricht eine 94-Jährige Frau plötzlich fließend Englisch. „Aber in ihrer Muttersprache bringt sie nur noch wenige Worte zustande“, berichtet der behandelnde Arzt Li Yanfang gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Peking. Für die Rentnerin Liu Jaiyu jedoch keine unbekannte Sprache, denn wie Li Yanfang weiter erklärt, habe die ehemalige Lehrerin in ihrem Berufsleben viele Jahre Englisch unterrichtet. Vor einem Jahr habe die Frau einen Schlaganfall erlitten und sei in die Klinik eingeliefert worden, nach monatelangem Training erfolgten dann die ersten Sprechversuche.
Monatelanges Sprechtraining nach Aphasie
Zunächst habe die Frau einfache Wörter gelernt, mittlerweile würde sie aber wieder in ganzen Sätzen sprechen, so Li Yanfang, der die Innere Medizin am Krankenhaus in Changsha leitet. Zu Beginn hätte das Pflegepersonal jedoch Verständnisprobleme gehabt – bis klar wurde, dass die Frau statt Chinesisch Englisch sprach. „Wir gehen davon aus, dass ihr Sprachzentrum beschädigt wurde“, erklärt der Mediziner. Es sei jedoch anzunehmen, dass die Region für Englisch in ihrem Gehirn nicht bzw. nur gering betroffen ist, wodurch sie nun kaum noch ihre Muttersprache sprechen könne, wohl aber das ehemals gelernte Englisch. „Wenn sie Besucher bekommt, antwortet sie auf Englisch, selbst wenn sie auf Chinesisch angesprochen wird“, beschreibt Li Yanfang die Situation.
Sprachstörung infolge eines Schlaganfalls kein seltenes Phänomen
Für den Arzt habe Li Yanfang dadurch jedoch noch „Glück im Unglück gehabt“, denn mithilfe des Englisch könne sich die Frau zumindest wieder mitteilen, vielen anderen Patienten gehe es da schlechter, so Li Yanfang. Nun bleibe abzuwarten, wie die weitere Therapie verlaufe und ob die Frau irgendwann auch wieder in ihrer Muttersprache kommunizieren könne. Dabei ist eine Sprachstörung infolge eines Schlaganfalls kein seltenes Phänomen, stattdessen habe laut der „Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe“ bundesweit rund ein Drittel der Patienten Probleme, Sprache zu verstehen oder Wörter zu finden (Aphasie), teilweise funktioniere auch das Lesen und Schreiben nicht mehr wie früher. Die Störung würde dabei jedoch meist eher das Sprechen in Fremdsprachen betreffen, während die Muttersprache erhalten bliebe.
Hirngeschädigte Menschen schnellstmöglich sprachtherapeutisch versorgen
„Der Fall der Rentnerin aus China ist sehr ungewöhnlich“, so Mario Leisle von der Stiftung gegenüber der „dpa“. Kommt es nach einem Schlaganfall zu einer Aphasie, sei dies laut der Stiftung zwar ein schweres Schicksal – dieses müsse jedoch nicht tatenlos hingenommen werden. Stattdessen seien auch hirngeschädigte Menschen in der Lage zu lernen, da sie trotz des Schlaganfalls große Hirnzellen-Reserven besitzen, so Dr. Volker Middeldorf gegenüber der Stiftung. „Menschen mit Aphasie müssen aus rehabilitativer Sicht nach dem Ereignis so schnell wie möglich logopädisch, das heißt sprachtherapeutisch, versorgt werden. Sie sollten intensive Sprachtherapie erhalten und auf diese Weise ihr großes Rehabilitationspotenzial aktivieren bzw. zum Lernen nutzen“, so der Mediziner weiter. (nr)
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