Besonders Patchwork-Väter leiden häufig an Depressionen
06.02.2015
Kinder sind das größte Glück ihrer Eltern, doch manchmal auch der Auslöser einer Depression. Vor allem Väter in Patchwork-Familien sind einer Studie zufolge gefährdet. Grund ist die hohe Belastung, drei Rollen gleichzeitig erfüllen zu müssen: Patchwork-Väter kümmern sich um ihre eigenen, die Kinder der Partnerin und um den gemeinsamen Nachwuchs gleichermaßen. Während Frauen bei einer solchen Belastung schneller therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, leiden Männer häufig im Stillen.
Patchwork-Väter müssen gleichzeitig Vater und Stiefvater sein
Dass manch eine Frau nach der Geburt ihres Kindes vom sogenannten „Babyblues“ oder Wochenbettdepressionen heimgesucht wird, ist mittlerweile bekannt. Weniger offenen wird über die Probleme von Männern durch die Elternschaft gesprochen. Das hat fatale Konsequenzen, wie eine neue Studie zeigt. Denn immer häufiger leiden vor allem Männer in Patchwork-Familien an Depressionen. Überforderung mit der neuen Rolle, Niedergeschlagenheit und das Gefühl, ausgelaugt und energielos zu sein, machen vielen Vätern schwer zu schaffen.
„Mütter wie Väter haben es mit erheblichen Belastungen zu tun, und manche Formen der Elternschaft sind extrem stressig“, erläutert Kevin Shafer, Professor für Sozialarbeit, gegenüber „Sueddeutsche.de“. In Zusammenarbeit mit Garrett Pace von der Universität Princeton untersuchte er mehr als 6.000 Eltern. Das Ergebnis: Vor allem Männer in Patchwork-Familien, die drei Rollen übernehmen und „deine, meine und unsere Kinder“ versorgen müssen, sind besonderen Belastungen ausgesetzt. Laut Studie ist ihr Risiko, an einer Depression zu erkranken, um 57 Prozent höher als bei Eltern, die nur eine Rolle erfüllen. „Es gibt Vorstellungen und Normen für die Elternschaft, aber keine dafür, Stiefvater zu sein“, so Shafer weiter. „Sollte ich mich wie ein normales Elternteil verhalten, wie ein guter Freund – oder eher wie der coole Onkel?“ Viele Patchwork-Väter seien nicht sicher, welche Rolle die geeignetste sei.
Väter lassen Depressionen häufig erst spät behandeln
Am schwierigsten sei die Situation für Väter, die ein einer neuen Patchwork-Familie ohne ihre eigenen Kinder lebten. Sie hätten häufig Schuldgefühle, weil sie mit den anderen Kindern mehr Zeit verbringen würden, als mit den eigenen Kindern aus der früheren Beziehung. Wenn dann ein neues Baby hinzukomme, werde die Zeit für die anderen Kinder noch knapper. Derartig belastete Väter hätten deshalb ein besonders hohes Risiko für Stressreaktionen und Depressionen. „Der Stress entsteht ja nicht aus niederen Motiven, sondern aus edler Absicht“, berichtet Shafer. „Sie wollen weiterhin gute Eltern sein, gute Stiefeltern und natürlich auch gute neue Eltern.“
Meist nehmen Männer trotz starker Belastung wenn überhaupt erst sehr spät professionelle Hilfe in Anspruch. Das sei einer der Gründe, weshalb Frauen nicht so anfällig für Depressionen in solchen Familienkonstellationen seien. Da das klassische Familienkonstrukt aber immer seltener wird und die Zahl der Patchwork-Familien steigt, werden auch Probleme, die sich daraus ergeben, immer häufiger. Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin „Social Work“ veröffentlicht.
Väter-Blues durch hohe Belastung von Patchwork-Vätern
„Es gibt auch den Väter-Blues“, erläutert Karl Heinz Brisch, Leiter der Psychosomatik am Haunerschen Kinderspital der Uni München, gegenüber „Sueddeutsche.de“. „Gerade Väter, die an verschiedenen Stellen unterwegs sind, haben ein Vielfaches an Belastungen.“ Wenn ihnen die Situation über den Kopf wachse, reagierten sie mit Energielosigkeit, Unruhe und Schlaflosigkeit. Sie seien dann auch keine gute Unterstützung mehr für die Frau. „Das strahlt auf das Baby zurück, wenn nicht genug mit ihm gelacht und gespielt wird und wenig Nähe entsteht“, so Brisch weiter. Vor allem die Rolle des Stiefvaters sei problematisch. „Die Männer kriegen Übertragungen der Stiefkinder ab, etwa Wut und Enttäuschung, die vermutlich dem leiblichen Vater gelten“, berichtet der Oberarzt. „Oder sie werden extrem idealisiert, was oft nicht lange anhält.“
Elternschaft ist – so viel Freunde Kinder bereiten – immer auch anstrengend. Vor allem mit kleinen Kindern führen Schlafmangel und wenig Zeit für die eigenen Interessen häufig zu Stress und Unausgeglichenheit. Eine Belastungsprobe für die Partnerschaft. Deshalb ist es aber besonders wichtig, dass sich beide Elternteile gegenseitig unterstützen. Männern fällt es meist schwer Hilfe anzunehmen, aber gerade bei hoher Belastung sollten sie sich ihrer Partnerin anvertrauen. Häufig helfen bereits Gespräche und organisatorische Änderungen im Tagesablauf und bei der Wochenplanung, um das Stresslevel zu reduzieren. (ag)
Bild: Gänseblümchen / pixelio.de
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