Bei Dauer-Schmerz leiden häufig die Psyche
13.02.2015
Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, haben meist eine Odyssee durch unzählige Arztpraxen hinter sich, bevor sie eine geeignete Therapie erhalten. Denn häufig ist eine körperliche Ursache der Schmerzen nicht festzustellen. Dass auch seelische Probleme chronische Schmerzen auslösen können, wird bei der Diagnose häufig vernachlässigt. Das berichten Fachärzte des Wagner-Jauregg Spitals im österreichischen Linz. Demnach spiele die Psyche sogar eine wesentliche Rolle.
Im Schnitt dauert es sieben Jahre bis zur psychosomatischen Abklärung von chronischen Schmerzen
Bei vielen Patienten variiert der chronische Schmerz in seiner Intensität. Mal ist er stärker, mal etwas schwächer. An manchen Tagen verschwindet er sogar vollständig. Dann schöpfen die Betroffenen Hoffnung darauf, dass ihr Martyrium endlich ein Ende haben könnte. Doch kurze Zeit später kehren die Schmerzen zurück, manchmal sind sie dann sogar noch stärker. An Lebensqualität und -freunde ist für viele Schmerzpatienten nicht mehr zu denken. In ihrem Alltag geht es nur noch um das Aus- und Durchhalten.
„Im Durchschnitt vergehen rund sieben Jahre, bis erstmals eine psychosomatische Abklärung stattfindet“, erläutert Dr. Hertha Mayr, Leiterin der Abteilung Psychosomatik in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg. „Ein langer Leidensweg, denn erst danach wird eine entsprechende Diagnose gestellt, die sowohl körperliche als auch seelische und soziale Ursachen berücksichtigt und eine passende Behandlung einleitet.“ Schmerzen werden als chronisch eingestuft, wenn sie länger als drei Monate anhalten. Meist werde eine organische Ursache angenommen, da die Patienten ihre Beschwerden im Körper spürten, erläutert die Ärztin. Deshalb konzentriere sich auch die Behandlung von chronischen Schmerzen häufig ausschließlich auf den Körper.
80 Prozent der Betroffenen erhalten Schmerzmittel, ohne die Ursache der Beschwerden zu kennen. „Etwa 20 Prozent von ihnen sind auf opioidhaltige Schmerzmittel eingestellt, ohne dass diese eine wesentliche Schmerzreduktion herbeiführen können. Als Folge dieser einseitigen Behandlungsstrategien, kommt es zu verstärkter Chronifizierung und es besteht das Risiko, durch die Schmerzmittel ein erhöhtes Schmerzempfinden zu induzieren“, informiert die Klinik in einer Mitteilung.
Enge Verbindung von Stress- und Schmerzverarbeitung im Gehirn
Die neurobiologische Forschung hat gezeigt, dass eine enge Verbindung zwischen Stress- und Schmerzverarbeitung im Gehirn besteht. „Das bedeutet, dass Schmerz nicht nur ein Hinweis auf eine körperliche Erkrankung ist, sondern auch ein Leitsymptom bei primär psychischen Erkrankungen sein kann wie zum Beispiel bei Angststörung, Überlastungssyndrom, Depression, Posttraumatische Belastungsstörung“, erläutert Mayr. Aus ihrer Sicht ist deshalb ein ganzheitlicher Therapieansatz wichtig.
„Die größten Gruppen von chronischen Schmerzen im neurologischen Fachbereich sind chronische Kopfschmerzensowie chronische Rückenschmerzenmit und ohne Ausstrahlung“, berichtet der Leiter der neurologischen Abteilung der Klinik, Tim J. von Oertzen. Bei chronischen Kopfschmerzen kommen viele unterschiedliche Ursachen in Frage. „Viele Betroffene haben Angst, dass anhaltende Kopfschmerzen auf einen Hirntumor hinweisen könnten. Die allermeisten Hirntumore äußern sich mit anderen Symptomen als Kopfschmerzen, aber der Ausschluss kann schon eine beruhigende und daher auch therapeutische Wirkung haben“, informiert die Klinik.
Ganzheitliche Therapie von chronischen Schmerzen notwendig
Chronische Rückenschmerzen werden häufig durch Stress beeinflusst. Insbesondere in Phasen, in denen lebensverändernde Entscheidungen getroffen werden, treten sie verstärkt auf. Während Bei Kopfschmerzen ein Bildgebendes Verfahren häufig eine Beruhigung für den Patienten darstellt – es ist eben kein Hirntumor – haben MRT und Röntgenuntersuchungen bei Rückenschmerzen häufig den gegenteiligen Effekt. Grund sind dadurch sichtbar gewordene Veränderungen an der Wirbelsäule, die aber nicht für die Schmerzen verantwortlich sind. Der Patient sieht aber eine veränderte Struktur und macht diese für seine Beschwerden verantwortlich. „Daher ist es wichtig, chronische Schmerzsyndrome ganzheitlich zu diagnostizieren und sowohl organische Ursachen, als auch somatoforme –also psychisch bedingte –Ursachen in der Diagnosefindung miteinzubeziehen“, betont von Oertzen. (ag)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.