Medikamente ohne Zusatznutzen werden zu oft verordnet
17.02.2015
Die Ärzte in Deutschland verschreiben einer Kassen-Studie zufolge zu oft Medikamente ohne einen nachgewiesenen Zusatznutzen für die Patienten. Nur etwa jedes zweite Präparat kann einer solchen wissenschaftlichen Bewertung standhalten. Andererseits würden Medikamente mit Zusatznutzen häufig nicht verordnet.
Nur jedes zweite Medikament mit Zusatznutzen
Nur etwa jedes zweite neue Arzneimittel weist einen zusätzlichen Nutzen für Patienten auf. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, werden solche Präparate ohne Mehrwert jedoch gegenüber gängigen Medikamenten recht häufig vom Arzt verordnet. Dies geht aus einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Report der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervor. Die Kasse kommt darin zu dem Schluss, dass sich das 2011 beschlossene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) grundsätzlich bewährt, aber weiter Schwachstellen habe.
Mangelnde Informationen der Mediziner
In dem Gesetz wird vorgeschrieben, dass neue Arzneimittel auf ihren zusätzlichen Nutzen für die Therapie überprüft werden müssen. Dann wird auf dieser Grundlage zwischen Hersteller und Kassen innerhalb eines Jahres nach Markteinführung der Preis ausgehandelt. Wenn das nicht gelingt, hat eine Schiedsstelle weitere drei Monate Zeit, eine Verständigung herbeizuführen. Den Angaben zufolge bestimmt in dieser Zeit weiterhin allein das Pharmaunternehmen den Einstiegspreis ihres Präparates. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) plädiert dafür, dass die ausgehandelten Preise rückwirkend gelten, um so überhöhte Preise in den ersten zwölf bis 15 Monaten zu verhindern. Die Kassen mutmaßen, dass es möglicherweise an mangelnden Informationen der Mediziner liegt, dass neue Wirkstoffe ohne Zusatznutzen so oft verordnet werden.
Versorgungsqualität stärker beachten
Vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) wird eine einseitige Ausrichtung auf die Kostendämpfung beklagt. Die Versorgungsqualität hingegen müsse stärker beachtet werden. Die Innovationsbilanz der Pharmaindustrie sei im übrigen „so gut wie lange nicht mehr“, sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Eine Refinanzierung der Investitionen sei jedoch nicht mehr möglich, wenn die Preise für neue Medikamente hierzulande unter den europäischen Durchschnitt sänken. Der Verband beklagte laut „Reuters“ auch, dass Medikamente mit Zusatznutzen Patienten oft nicht verordnet würden.
„Ende der Mondpreise für Medikamente“
Auch wenn ein Teil der Präparate durch das kostendämpfende Gesetz vom Markt verschwunden sei, führe das bisher nicht zu Engpässen in der Versorgung, argumentierte DAK-Chef Herbert Rebscher. Deren Wirkstoffe würden sich problemlos durch andere Arzneimittel ersetzen lassen. Das AMNOG sei im übrigen auch keine Innovationsbremse. „Eine kleine Revolution“ sieht der CDU/CSU-Gesundheitsexperte Jens Spahn in der Arzneimittelmarktreform. Dieses Gesetz „bedeutete das Ende der Mondpreise für Medikamente“, so Spahn gegenüber der dpa. Er erklärte weiter: „Klar ist aber auch: Das AMNOG ist ein lernendes System. Wir wollen, dass wirkliche Innovationen den Patienten schnell zur Verfügung stehen. Die müssen auch weiterhin gut bezahlt werden.“
Auch ältere Medikamente sollten auf ihren Nutzen geprüft werden
In Deutschland gebe es quasi einen zweigeteilten Arzneimittelmarkt, kritisierten Rebscher und der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. So werde der Bestandsmarkt der Arzneimittel, die vor dem 1. Januar 2011 eingeführt worden seien, keiner Überprüfung unterzogen. Wie Ludwig sagte, wäre hier eine Reaktion des Gesetzgebers möglich. Rebscher meinte, dass auch die nach diesem Stichtag eingeführten neueren Arzneimittel nach zwei, drei Jahren erneut auf ihren Nutzen geprüft werden sollten. (ad)
Bild: Verena Münch / pixelio.de
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