Politik will Wartezeiten auf einen Facharzttermin verkürzen
23.02.2015
Termine bei einem Facharzt sind für gesetzlich Versicherte oft schwer zu bekommen und mit monatelangen Wartezeiten verbunden. Schlimmstenfalls kann die überlange Wartezeit schwerwiegende gesundheitliche Folgen für die Betroffenen haben, wie das Beispiel einer Patientin aus der Sendung von Günther Jauch am Sonntagabend verdeutlicht. Unter der Überschrift „Von wegen, der Nächste bitte! Das lange Warten auf den Arzttermin“ hat Jauch mit einer Betroffenen, verschiedenen Fachleuten und dem Bundesgesundheitsminister über die Wartezeiten bei Ärzten, deren Ursachen, die Folgen und mögliche Lösungsansätze gesprochen.
„Während in ländlichen Gegenden die Patienten nicht nur lange warten, sondern häufig auch weit fahren müssen, verlagert sich das Problem in den Städten zunehmend auf die Kliniken“, berichtet die „ARD“. Dort würden Patienten in die Notaufnahmen strömen und diese an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringen. Auf die Frage nach einem Termin beim Herzspezialisten, Augen- oder Hautarzt laute die Antwort häufig, der nächste freie Termin ist erst in vier Monaten, so Jauch. Dies kann für die Betroffenen im schlimmsten Fall tödlich enden. In der Sendung berichtet beispielsweise Stefanie H. von ihren Beschwerden, die bei einem Neurologen untersucht werden sollten. Trotz intensiver Bemühungen habe sie keinen zeitnahen Termin erhalten und hätte Wartezeiten von bis zu acht Monaten in Kauf nehmen müssen. Am Ende konnte die Patientin durch eine übertriebene Darstellung ihrer Beschwerden einen Termin ergattern, bei dem ein Hirntumor festgestellt wurde, welcher umgehend operiert werden musste. Bis zu den ursprünglich genannten Terminen, hätte die Frau nach Einschätzung der Ärzte nicht überlebt.
Extrem lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin unbestritten
In der Sendung wurde auch von anderen Patienten berichtet, die während des Wartens auf einen Termin beim Kardiologen an den Folgen ihres Herzleiden verstarben. Doch die Diskussion unter den Podiumsgästen lief ohne direkte Beteiligung betroffener Patienten. Geladen waren Fachleute wie Stefan Etgeton, Gesundheitsforscher von der Bertelsmann-Stiftung, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen, Susanne Mauersberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) sowie der Notfallarzt Paul Brandenburg. Obwohl die Experten in vielen Details äußerst unterschiedlicher Auffassung waren, bestreitet letztendlich niemand die mitunter extrem langen Wartezeiten auf einen Facharzttermin. Wie hiermit umzugehen ist, bleibt indes umstritten.
Zeitnahe Arzttermine im ländlichen Raum ein erhebliches Problem
Der Gesundheitsforscher Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung berichtet von den Ergebnissen seiner Untersuchungen, aus denen hervorgehe, dass die Ärzte in Deutschland insgesamt sehr ungleich verteilt sind. Während in großen Städten eine Ballung der Arztpraxen festzustellen sei, falle die Versorgung in den Speckgürteln um die Metropolen bereits deutlich schlechter aus. Die dünnbesiedelten, ländlichen Regionen – insbesondere in Ostdeutschland – haben hier laut Auskunft des Experten die größten Schwächen. Während insgesamt durchschnittliche 28 Prozent der Deutschen länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten, trifft dies im dünnbesiedelten Osten auf ganze 39 Prozent zu. Die ungleiche Verteilung der Ärzte führt hier zu einer Verschärfung des Problems. Hinzu kommt, dass viele Ärzte derzeit im Alter um die 60 Jahre sind und demnach eine baldige Praxisübernahme ansteht. Dabei sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen als Landarzt für viele potenziellen Nachfolger eher unattraktiv, was in Zukunft eine weitere Dezimierung der ländlichen Arztpraxen zur Folge haben dürfte.
Versorgungsstärkungsgesetz zur Verkürzung der Wartezeiten
Die Bundesregierung will den langen Wartezeiten auf einen Facharzttermin mit dem Versorgungsstärkungsgesetz ein Ende setzen, erläuterte der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bei Günther Jauch. Kein Patient solle in Zukunft noch länger als vier Wochen auf einen Termin warten müssen. Entsprechende Servicestellen, die von den kassenärztlichen Vereinigungen eingerichtet werden müssen, sollen bei der Vermittlung von Terminen helfen. Kann die telefonische Servicestelle innerhalb einer Woche keinen Terminvorschlag unterbreiten, werden die Patienten ins Krankenhaus überwiesen, und die Kassenärztevereinigung hat die Kosten zu tragen. Der Grundgedanke ist, dass Fachärzte freie Zeiten bei den Servicestellen melden, und letztere anschließend mit bedürftigen Patienten entsprechende Termine vereinbaren, so Gröhe. Andreas Gassen sieht in dem Vorschlag der Bundesregierung allerdings keine Lösung der grundsätzlichen Probleme. Zunächst fehle die Einteilung der Fälle nach Dringlichkeit. Zudem würden viele Patienten ihren „Wunscharzt“, bevorzugen, der Termin werde jedoch mit einem beliebigen Facharzt in zumutbarer Reichweite vereinbart.
Leistungsanspruch der Patienten ein Problem?
Und das Grundproblem bleibe der unvermindert hohe Zugang zu allen ärztlichen Fachrichtungen, so der Vorsitzende der KBV weiter. Die Patienten seien hier auch teilweise Opfer der Freizügigkeit des Systems. Ihnen werde ein uneingeschränktes Leistungsversprechen gemacht, das die Möglichkeit bieten solle, jederzeit nach Belieben einen (Fach-)Arzt aufzusuchen. Dies würden die Ärzte jedoch mittelfristig nicht mehr leisten können. Folgerichtig müsste theoretisch eine Einschränkung des Leistungsversprechens her. Eine Forderung, die bei den meisten gesetzlich-versicherten Patienten vermutlich auf wenig Verständnis stößt. Denn in der Diskussion kam nicht zur Sprache, dass die langen Wartezeiten vor allem für gesetzlich Versicherte ein Problem darstellen, während Privatpatienten meist deutlich kürzer auf einen Facharzttermin warten. Hier scheint offensichtlich doch Spielraum für kurzfristigere Terminvergaben durch die Ärzte zu bestehen. Wenn nun ein Teil der verfügbaren Kapazitäten an die Servicestellen gemeldet wird, um eine zeitnahe Terminvergabe zu ermöglichen, könnte das Versorgungsstärkungsgesetz tatsächlich eine wesentlichen Beitrag zur Verkürzung der Wartezeiten auf einen Facharzttermin leisten. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.