Ungeborenes Kind im Mutterleib am offenen Rücken operiert
In Heidelberg haben Mediziner ein ungeborenes Kind bereits im Mutterleib am offenen Rücken operiert. Der als Spina bifida aperta bezeichnete Defekt kann unter anderem dazu führen, dass die betroffenen Kinder später in ihrer Motorik stark beeinträchtigt sind und einen sogenannten Wasserkopf entwickeln.
Kind im Mutterleib operiert
Am Universitätsklinikum Heidelberg haben Ärzte mit einem europaweit einmaligen Verfahren ein Kind noch im Mutterleib am offenen Rücken (Spina bifida aperta) operiert. Das Baby konnte sich nach dem Eingriff weitere elf Wochen im Bauch seiner Mutter entwickeln, bevor es am Dienstag, 9. August, per Kaiserschnitt zur Welt kam.
Ungeborenes blieb mit der Nabelschnur verbunden
Der Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, Professor Dr. Christof Sohn, erklärte in einer Mitteilung: „Für den Eingriff während der Schwangerschaft haben wir die Gebärmutter ähnlich einem Kaiserschnitt eröffnet. Das Kind wurde vorsichtig ein Stück herausgehoben und blieb dabei mit der Nabelschnur verbunden.“
Betroffene entwickeln häufig einen Waserkopf
Wie in der Mitteilung erläutert wird, entsteht der als Spina bifida aperta bezeichnete Defekt zwischen dem 20. und 28. Tag in der Schwangerschaft, wenn sich die Wirbelkörper sowie häufig auch die Häute, die das Rückenmark umgeben, nicht verschließen. Je nach Ausmaß und Lage des Defektes sind die betroffenen Kinder später in ihrer Motorik stark beeinträchtigt und entwickeln häufig einen sogenannten Wasserkopf, bei dem sich Hirnwasser innerhalb des Schädels ansammelt. Aufgrund der Störungen kann es zudem zu Lähmungen kommen.
Eines von 1.000 Kindern kommt mit offenem Rücke zur Welt
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) schreibt auf seiner Webseite „kinderaerzte-im-netz.de“, dass in Mitteleuropa etwa eines von 1.000 Kindern mit einem offenen Rücken auf die Welt kommt. Mädchen sind demnach davon häufiger betroffen als Jungen. Weil ein offener Rücken in manchen Familien gehäuft auftritt, vermutet man genetische Ursachen.
Verschiedene Risikofaktoren
Offenbar spielt auch ein Mangel an Folsäure, Vitamin B9, beziehungsweise eine Störung des Folsäurestoffwechsels in den ersten Wochen der Schwangerschaft eine Rolle. Frauen mit Kinderwunsch sollten daher prophylaktisch Folsäure einnehmen. Auch die Einnahme bestimmter Wirkstoffe, wie Valproinsäure gegen Epilepsie oder Fieber in der Frühschwangerschaft, Schwangerschaftsdiabetes oder Adipositas der Mutter gelten als Risikofaktoren.
Großteil der betroffene Kinder wir nach der Geburt behandelt
Zwar werden die meisten Kinder mit offenem Rücken erst nach der Geburt behandelt, es hat aber auch schon vorgeburtliche Eingriffe gegeben. In den Vereinigten Staaten wurden bereits Erfahrungen gesammelt. „Die Studienergebnisse aus den USA belegen eindrucksvoll den großen Vorteil einer offenen fetalchirurgischen Operation der Spina bifida“, sagte die Kinder-Neurochirurgin Privatdozentin Dr. Heidi Bächli, die das Kind in Heidelberg am Rücken operiert hat. „Die Kinder leiden seltener an einem Wasserkopf, das Kleinhirn verlagert sich weniger stark in den Wirbelkanal und das Ausmaß der Lähmungen kann deutlich reduziert werden.“
Bestmöglicher Start ins Leben
Bei dem Jungen hatte sich die Wirbelsäule nicht vollständig um Rückenmark und Nerven gebildet. „Durch die frühzeitige Operation konnte sich der Junge im Mutterleib erfolgreich entwickeln, ohne dass das Rückenmark weiter Schaden nimmt“, erläuterte Dr. Bächli. „Während der Operation wurden Rückenmark, harte Hirnhaut und Haut Schicht für Schicht verschlossen. So haben wir dem Baby den bestmöglichen Start ins Leben ermöglicht: das Risiko für einen Wasserkopf wurde reduziert und schwere Schäden am Rückenmark konnten weitgehend verhindert werden“, erklärte Professor Andreas Unterberg von der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg.
Mutter und Baby sollen bald aus Klinik entlassen werden
Die vor dem Eingriff im Ultraschall erkennbaren deutlichen Veränderungen am Gehirn des Kindes hatten sich noch während der Schwangerschaft zurückgebildet. „Das ist ein riesiger Erfolg, der nur durch intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich war“, so Professor Sohn. Medienberichten zufolge entwickelt sich das Baby prächtig. Kommenden Sonntag sollen Mutter und Kind aus dem Krankenhaus entlassen werden. (ad)
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