Bundesverfassungsgericht: Neue Niere macht Rechtschutz entbehrlich
Karlsruhe (jur). Gegen eine nach eigener Einschätzung falsche Einstufung bei der Meldung zur Eurotransplant-Warteliste für Spenderorgane sollten Kranke sofort gerichtlichen Eilrechtschutz ersuchen. Denn wird an einem anderen Transplantationszentrum dann doch noch das gewünschte Organ transplantiert, hat sich der Streit mit dem ersten Zentrum erledigt, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag, 12. August 2016, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 1 BvR 1705/15). Nur mögliche Schadenersatzansprüche lassen sich dann noch vor den Zivilgerichten klären.
Der Ausgangsfall ist pikant, musste nach dem Karlsruher Beschluss wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses aber nicht mehr entschieden werden.
Die Klägerin benötigte eine neue Niere und wandte sich deswegen an ein Transplantationszentrum in München. Weil sie und ihr Ehemann auch eine Lebendspende einer Niere des Mannes in Erwägung zogen, fuhr er zu dem Beratungstermin mit. Mit den Gesprächen war das Paar unzufrieden. Sie hätten insbesondere nicht erfahren, warum die Münchener Ärzte eine Lebendspende ablehnten. Zur Klärung entnommene Blutproben seien gar nicht erst untersucht worden.
Seinem Ärger machte der Mann mit einer E-Mail an den chirurgischen Leiter für Nierentransplantationen Luft. Die Mail schloss mit dem Satz: „Ich nehme an, dass ich mich mit der Beantwortung meiner Fragen nicht an die Klinikleitung bzw. die Kassenärztliche Vereinigung oder ähnliches wenden muss.“
In einem Antwortbrief wies der Arzt die „unverhohlene Drohung“ zurück. Eine vertrauensvolle Behandlung der Ehefrau sei offenbar nicht möglich. Aus diesem Grund werde er sie bei Eurotransplant als „nicht transplantierbar“ melden.
Die nierenkranke Frau fühlte sich dadurch ungerechtfertigt für das Verhalten ihres Ehemannes abgestraft. Über Monate versuchte sie, eine Klärung mit dem Münchener Zentrum herbeizuführen und zog schließlich vor Gericht. Mit ihrer Klage verlangt sie die Feststellung dass ihre Einstufung als „nicht transplantierbar“ rechtswidrig war.
Zudem wandte sie sich an ein anderes Transplantationszentrum. Dort wurde sie sofort auf die Münchener Einstufung angesprochen. Nach einer Klärung meldete das zweite Zentrum die Frau bei Eurotransplant an, und sie konnte eine Spenderniere bekommen.
Dies geschah noch vor der Verhandlung beim Verwaltungsgericht München. Das Gericht wies die Klage daher als unzulässig ab. Es fehle ein Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse, weil die Frau inzwischen eine Spenderniere bekommen habe. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hatte dies bestätigt.
Dem schloss sich nun auch das Bundesverfassungsgericht an. Es nahm die Beschwerde der Frau nicht zur Entscheidung an. Ein „schutzwürdiges Interesse“ liege nicht mehr vor.
Zur Begründung führten die Karlsruher Richter aus, Bürger könnten Rechtsschutz nur dann verlangen, wenn ein Eingriff in ihre Rechte andauert oder fortwirkt, oder wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Weil die Frau zwischenzeitlich eine neue Niere bekommen habe, schieden diese Gründe aus.
In anderen Fällen könnten Gerichte ausnahmsweise dann Rechtsschutz gewähren, wenn der Eingriff üblich nur so kurz andauert, dass unterdessen Rechtsschutz gar nicht zu erlangen ist. Auch das treffe hier aber nicht zu. Die Frau habe über Monate eine Klärung mit dem Münchener Zentrum gesucht und auch danach nur eine Klage und nicht auch einen Antrag auf Eilentscheidung eingereicht.
Keine Rolle spiele, dass bislang noch umstritten ist, ob die Verwaltungsgerichte oder die Zivilgerichte für Streitigkeiten Kranker mit Transplantationszentren zuständig sind. Zumindest in Eilverfahren seien die Gerichte auch dann gehalten, zügig zu entscheiden.
Soweit die Frau von dem Münchener Zentrum Schadenersatz verlangen wolle, könne sie dies mit einer Zivilklage direkt tun. Dabei sei dann gegebenenfalls auch zu prüfen, ob die Einstufung als „nicht transplantierbar“ gerechtfertigt war. Eine Entscheidung darüber schon im Vorfeld sei nicht erforderlich, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 6. Juli 2016. mwo
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