LSG Essen: Sozialamt muss umgehend unterrichtet werden
Leistet eine Klinik eine Nothilfe für einen nicht versicherten Patienten, muss es das Sozialamt für die Übernahme der Behandlungskosten unverzüglich informieren. Nur wenn der Sozialhilfeträger nicht erreichbar ist, wie beispielsweise an einem Wochenende, kann das Krankenhaus sich bei einem medizinischen Notfall zumindest für diese Behandlungstage die Kosten immer erstatten lassen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem am 7. September 2016 veröffentlichten Urteil (Az.: L 9 SO 328/14). Nur wenn das Sozialamt schließlich die Kostenzusage erteilt und der Patient hilfebedürftig ist, kann die Klinik dann die volle Fallpauschale geltend machen.
Damit bleibt die Klägerin, eine Klinik für Gefäßchirurgie, weitgehend auf den Kosten für eine erbrachte Notfallbehandlung eines nicht versicherten, aus Kenia stammenden Patienten in Höhe von fast 30.000 Euro sitzen.
Der Kenianer war wegen eines Sprachkurses nach Deutschland gereist. Ein deutsches, ihm bekanntes Ehepaar hatte zugesichert, die Kosten für den Lebensunterhalt und für die Ausreise zu tragen. Für den Mann wurde eine ADAC-Reise-Krankenversicherung abgeschlossen. Als der Kenianer eine Deutsche kennenlernte, diese aber seinen Heiratsantrag zurückwies, sprang er in Suizidabsicht aus dem dritten Stock eines Wohnhauses.
Dabei verletzte er sich schwer, unter anderem an der Hauptschlagader. Der Mann wurde in der Klinik für Gefäßchirurgie am 20. Dezember 2009, einem Sonntag, notfallmäßig aufgenommen. Erst am Dienstag wurde per Fax die Übernahme der Behandlungskosten durch das örtliche Sozialamt beantragt.
Die Behörde lehnte ab. Die Hilfebedürftigkeit des Mannes sei nicht belegt. Außerdem habe die Klinik erst am Dienstag und damit zu spät die Kostenerstattung beantragt. Eine Kostenübernahme sei aber erst mit vorheriger Zusicherung durch die Behörde möglich. Erst in einem gerichtlichen Teilvergleich erklärte sich das Sozialamt bereit, knapp 3.900 Euro zu zahlen.
Da der mittlerweile nach Kenia ausgereiste Patient in Suizidabsicht gehandelt hatte, verweigerte auch die Reise-Krankenversicherung die Kostenübernahme. Das deutsche Ehepaar wollte ebenfalls nicht zahlen, da dieses nur für Kosten aufkommen wollte, die bei staatlichen Behörden angefallen waren.
Das LSG entschied in seinem Urteil vom 18. August 2016, dass die Klinik die Übernahme der verbliebenen Kosten in Höhe von knapp 26.000 Euro nicht verlangen kann. Zwar kann laut LSG ein Krankenhaus im Notfall die Übernahme der Behandlungskosten für einen nicht versicherten Patienten vom Sozialamt einfordern. Das Sozialamt müsse aber in „angemessener Zeit“ darüber informiert werden und die Kostenerstattung genehmigen. Dies war hier aber nicht der Fall.
Liege ein Eilfall vor, bei dem die Behörde nicht sofort in Kenntnis gesetzt werden kann, wie beispielsweise an einem Sonntag, könne aber für diese Zeit auch ohne Zustimmung des Sozialhilfeträgers eine Kostenerstattung „in gebotenem Umfang“ für die Behandlung verlangt werden. Danach müsse ausgehend von der Fallpauschale eine tagesbezogene anteilige Vergütung vom Sozialamt gezahlt werden, so das LSG. Die anteilige Vergütung für den Sonntag sei durch die vom Sozialamt gezahlten 3.900 Euro gedeckt. Ohne Erfolg machte die Klinik geltend, dass sie gerade am Aufnahmetag des Patienten die kostenintensivsten Leistungen erbracht hatte und ihr deshalb eine höhere Vergütung zustehen müssen. fle/mwo
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