Multitasking, also mehrere Aufgaben zugleich zu erledigen, kennzeichnet den heutigen Arbeitsalltag. Studien zeigen indessen, dass darunter nicht nur die Qualität der Arbeit leidet, sondern auch die Gesundheit.
Der Bericht “Multitasking und Auswirkungen auf die Fehlerverarbeitung – Psychophysiologische Untersuchung zur Analyse von Informationsverarbeitungsprozessen” der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) kam zu dem Ergebnis, dass Multitasking dem Arbeitsprozess ebenso schadet wie der Gesundheit der Arbeiter.
Menschen, die mehrere Aufgaben zugleich bearbeiten sollen, machen mehr Fehler, und diese Fehler zeigen sich umso gravierender, je komplexer die jeweiligen Aufgaben sind.
Das Gehirn – Ein Computer?
Der Begriff Multitasking kommt nicht aus der Psychologie, sondern aus der Computertechnik. Es bezeichnet Hardware, in der verschiedene Prozesse in so kurzen Abständen aktiviert werden, dass der Eindruck der Gleichzeitigkeit entsteht. Ist das menschliche Gehirn aber ein Rechner und kann genau so arbeiten?
Eine Schlüsselqualifikation
Multitasking gilt heute als Schlüsselqualifikation, und Unternehmen schulen ihre Mitarbeiter darin, es zu lernen. Besonders in den immer wichtigeren Bereichen der Kommunikations- wie Informationstechnik wie Online-Medien erscheint Multitasking als die zentrale Fähigkeit.
Hauptfehlerquelle
Diese “zentrale Fähigkeit” ist aber lauf einer Studie der BAuA die Hauptfehlerquelle in Unternehmen. Die Bundesanstalt erforschte, ob das Gehirn zwei Prozesse, die beide Konzentration bedürfen, gleichzeitig verarbeiten kann, und wenn, ob dies überhaupt von Vorteil ist.
Die Studie
Die BAuA untersuchte Fehlererkennungs- und Verarbeitungsprozesse bei Multitasking.
Das Ergebnis ernüchtert: Statt zwei Prozesse gleichzeitig zu bearbeiten, unterbrechen wir den jeweiligen Denkablauf. Nach jeder dieser Störung brauchen wir im Schnitt 15 bis 20 Minuten, um uns auf eine Aufgabe wieder voll zu konzentrieren.
Überlastung
Mitarbeiter, die ständig Multitasking leisten sollen, fühlen sich chronisch überfordert und sind es objektiv auch. Sie leiden unter Stress und geraten in Gefahr eines Burnouts und am Ende steht nicht selten eine depressive Erkrankung.
Ineffizienz
Die psychischen Schäden für Menschen, die permanent unter Multitasking-Zwang stehen, sind sogar nur eine Seite der Medaille. Die Überlastung ist nämlich nicht einmal nur der Preis, den sie für effiziente Arbeit zahlen – im Gegenteil. Die Qualität der Arbeit nimmt rapide ab. Wer mehrere anspruchsvolle Aufgaben zugleich bewältigen soll, leistet nicht mehr, sondern weniger.
Das Gehirn funktioniert anders
Die Mitarbeiter jetzt zusätzlichem Druck auszusetzen nach dem Motto “sie wären für den Job nicht geeignet”, verdreht die biologischen Möglichkeiten. Eine Studie der Universität Linköping in Schweden belegte nämlich, dass das Gehirn sich immer auf die Aufgabe konzentriert, die es als vorrangig ansieht.
Die Illusion vom effizienten Multitasking
Das bedeutet konkret: Wenn ich meinem Chef ein neues Projekt erläutern soll und gleichzeitig berufliche Mails beantworten muss, konzentriere ich mich entweder auf das eine oder das andere.
Multitasking oder elegante Ignoranz?
Die Fähigkeit zu Multitasking entpuppt sich bei genauer Analyse so als Fähigkeit, nur mit einem Ohr hinzuhören: Der besorgte Kunde mag zwar beruhigt sein, wenn wir einen Power Point Vortrag entwickeln und ihn am Telefon gleichzeitig beschwichtigen, ohne zuzuhören, was er sagt – am Problem, um das es dem Kunden geht, ändert sich aber nichts, weil wir uns nicht darauf konzentrieren, worum es geht.
Die schwedische Studie ergab, dass die effektivste Methode darin besteht, komplexe Aufgaben nacheinander abzuarbeiten.
Bulemie-Lernen
Studierende, die ihre Pflichten im Bachelor- und Masterstudiengang erledigen und dabei viel weiter gehenden Restriktionen ausgesetzt sind als in dem vorherigen Magisterstudium klagen über “Bulemie-Lernen”.
Sie beschreiben so anschaulich, dass sie nur “Wissen” in sich hinein fressen, um es bei Klausuren auszuwürgen und danach vergessen. Am Ende weisen sie zwar eine stattliche Anzahl von Credit Points zu diversen Themen vor, haben aber keines davon tief gehend bearbeitet, geschweige denn verstanden.
Das gleiche gilt in der Schule. Permanentes Multitasking führt zu mehr Kopfschmerzen bei Schülern.
Wo funktioniert Multitasking?
Psychologen sind dennoch überzeugt, dass es Menschen gibt, die zu Multitasking fähig sind und andere, die es nicht können. Insbesondere gelten Frauen als begabter für Multitasking als Männer. Das stimmt aber nicht. Vielmehr bedeutet Multitasking: Gleicher Stress bei Männern und Frauen
Dabei gilt es aber, genau zu beobachten, was Multitasking im jeweiligen Kontext bedeutet: Für das Gehirn ist nicht entscheidend, ob unterschiedliche Aufgaben objektiv zusammen gehören, sondern, ob es handlungsfähige Muster aufbauen kann.
Ein deutscher Ingenieur zum Beispiel, der ein Projekt in den USA aufbaut, könnte vermutlich ohne größere Probleme von seinem Online-Kurs in Business-Englisch zum Berechnen einer Gebäudestruktur vor Ort switchen – weil die Sprache dieser Arbeit dient. Bei einem Onlinekurs über Kunstgeschichte müsste er einen Denkprozess unterbrechen.
Klare Aufgaben verteilen
Die Informationsmenge des digitalen Zeitalters lässt sich nicht verändern, wohl aber die Organisation in Unternehmen, damit umzugehen. Dazu gehört, dass Mitarbeiter klare Aufgaben erfüllen und wissen, welche Tätigkeiten die anderen ausüben.
Technokratische Illusion
Multitasking kommt nicht zufällig aus der Computertechnik. Es auf Menschen zu übertragen resultiert aus einem technokratischen Menschenbild, in dem Mitarbeiter funktionieren wie Maschinen – heute wie Computer. Das menschliche Gehirn ist aber keine Hardware, in dem unterschiedliche Prozesse auf Knopfdruck in kürzester Zeit ablaufen können: Die Synapsen leiten Botenstoffe mit Informationen weiter, und wenn diese Leitungen unterbrochen werden, müssen sie sich wieder neu bilden.
Störungen einschränken
Multitasking macht krank und verschlechtert die Qualität der Arbeit. Anfragen per Email und Anrufe sowie außerplanmäßige Aufgaben sind nicht immer zu vermeiden, sollten aber als das gesehen werden, was sie neuropsychologisch sind: Störungen, die das Gehirn aus dem Rhythmus bringen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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