Multiresistente Keime werden durch internationale Reisen weltweit verbreitet
Die globale Ausbreitung multiresistenter Erreger ist ein massives Problem in der Medizin. Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Tourismus bei der Verbreitung resistenter Keime eine maßgebliche Rolle spielt. „Ein großer Teil der Reisenden, die ein Land mit geringem Hygienestandard besuchen, bringen multiresistente Darmkeime in ihre Heimat mit“, berichtet das CRM Centrum für Reisemedizin von den Studienergebnisse.
Das niederländische Forscherteam um Dr. John Penders vom University Medical Centre in Maastricht hat die Ausbreitung multiresistenter Keime im Zuge des weltweiten Tourismus untersucht und kommt dabei zu einem besorgniserregenden Ergebnis: Viele Reisende schleppen entsprechende Erreger ein und verbreiten diese in der heimischen Bevölkerung. So habe der weltweite Tourismus einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitung der multiresistenten Keime. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem Fachmagazin „ The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht.
Ausbreitung ESBL-bildender Bakterien untersucht
„Internationale Reisen tragen zur Verbreitung der antimikrobiellen Resistenz bei“, erläutern die Forscher. Für ihre Studie haben sie die Ausbreitung sogenannter „extensiv-ß-Lactamase-produzierender Enterobacteriaceae“ (ESBL-E) untersucht. Die ESBL-bildenden Bakterien sind gegen viele Antibiotika resistent und entsprechende Infektionen lassen sich daher oftmals nur schwer behandeln. Insgesamt 2001 niederländische Reisende und 215 nicht reisende Haushaltsmitglieder wurden in der aktuellen Studie anhand von Fäkalproben und Fragebögen zur Demographie, Krankheiten und Verhalten untersucht – jeweils vor der Reise, sofort nach Rückkehr und einen, drei, sechs und 12 Monate danach.
Bei Reisen nach Südostasien besonders hohes Risiko
Die Ergebnisse der Forscher waren erschreckend. „Von den 1.847 Reisenden, die vor der Reise ESBL-negativ waren und nach der Rückkehr Proben zur Verfügung gestellt haben, hatten 633 (34,3 Prozent) während der internationalen Reise ESBL-E erworben“, berichten Dr. Penders und Kollegen. Bei Reisenden nach Südasien waren sogar 136 von 181 Probanden nach der Reise Träger der Bakterien (mehr als 75 Prozent). Wesentliche Anhaltspunkte für das Risiko einer ESBL-E Aufnahme seien die Antibiotika-Anwendung während der Reise, Reisedurchfall und vorher bestehende chronische Darmerkrankungen, erläutern die Wissenschaftler.
Oft werden Haushaltsmitglieder Infiziert
Durchschnittlich habe die Besiedlung (Kolonisation) mit den Bakterien 30 Tage nach der Reise fortbestanden, allerdings blieben 577 Probanden auch nach 12 Monaten kolonisiert. Auch konnten die Forscher in 13 Fällen eine Weitergabe der Erreger an Haushaltsmitglieder nachweisen. „Die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von ESBL-E auf ein anderes Haushaltsmitglied betrug 12%“, schreiben die Forscher. Jedoch müssen die ESBL-bildenden Bakterien „nicht per se krank machen“, erläutert das CRM. „Für viele Träger werden diese Keime nie zum Problem – es ist bis zu einem gewissen Grad sogar normal, dass wir alle multiresistente Bakterien in uns tragen“, so Professor Dr. med. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des CRM.
Risiken durch multiresistente Erreger
Bei Personen mit geschwächtem Immunsystem, chronischen Erkrankung oder kürzlich erfolgter Operation können die multiresistenten Erreger laut Prof. Jelinek „zu einem massiven Problem werden.“ Verschiedene Formen einer Infektion seien möglich, die anschließend wegen der Resistenz des Keims nur schwer behandelbar seien. „Wir brauchen sowohl bei Ärzten als auch bei Reisenden mehr Bewusstsein für die Problematik der auf Fernreisen erworbenen und hierzulande weiterverbreiteten multiresistenten Erreger“, so Jelinek.
Aufklärung über das Risiko bei internationalen Reisen erforderlich
Nach Auffassung der Experten sollten international Reisende während und nach der Reise auf besonders sorgfältige Hygiene achten. Beispielsweise würden die meisten Keime über die Hände übertragen. Hier könne regelmäßiges und gründliches Händewaschen gefährdete Personen im Umfeld bis zu einem gewissen Grad schützen, erläutert Jelinek. Ist nach der Reise ein Arzt- oder Klinikbesuch erforderlich, „sollten Reiserückkehrer die Ärzte proaktiv darauf hinweisen, dass und wann sie im Ausland waren“, berichtet das CRM weiter. Doch seien auch die Ärzte gefragt, so Prof. Jelinek. Einerseits bei der Aufklärung von Reisewilligen über Risikofaktoren, anderseits bei der Berücksichtigung möglicher importierter Resistenzen durch Reiserückkehrer.
Auch die Ärzte sind gefordert
Die niederländischen Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Verbreitung von ESBL-E während und nach internationalen Reisen besorgniserregend ist. Reisende in Gebiete mit hohem Risiko einer ESBL-E-Akquisition sollten daher für bis zu 12 Monate nach der Rückkehr als potentielle Träger von ESBL-E betrachtet werden, betonen Dr. Penders und Kollegen. Entsprechende Infektionen „müssen sowohl bei der Behandlung der Reisenden selbst, als auch als potentielle Gefahr für andere Patienten – etwa bei Krankenhausaufenthalten – mehr in den Blick rücken“, so Prof. Jelinek in der Pressemitteilung des CRM. (fp)
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